„Gut!“ denke ich mir und lade mit einem Klick die neue App auf mein Handy. Eine Woche lang will ich BeReal testen – „deine Freunde in echt“ verspricht die Applikation mir dabei. Nachdem ich mir einen Nutzernamen ausgesucht habe und die üblichen Daten ins Nirvana schicke, die erste Hürde: Ich möchte der App keinen Zugriff auf meine Kontakte gewähren. Allerdings merke ich schnell, dass die Nutzung so wenig Sinn ergibt.
Ich zeig dir meins...
In den Sozialen Medien bin ich größtenteils als passive Nutzerin unterwegs – ich schaue gern, was die anderen so machen, selten poste ich selbst etwas. Auf BeReal bin ich zum Posten gezwungen. Und zwar jeden Tag! Zu einer täglich variierenden Uhrzeit bekommen alle User gleichzeitig eine Benachrichtigung, dass es Zeit für ein Foto ist. Die Community hat dann zwei Minuten Zeit, die aktuelle Szenerie abzulichten. Alle Fotos in der BeReal-App werden nach 24 Stunden gelöscht. Poste ich selbst kein Foto, kann ich die Fotos meiner Freundinnen und Freunde nicht sehen. Und ganz ehrlich, deshalb bin ich hier.
Nach langem Rumprobieren, die Benutzernamen meiner Freunde zu erraten, gewähre ich dem Programm schließlich doch Zugriff auf mein Telefonbuch. Ein paar meiner Freunde scheinen die App auch tatsächlich zu verwenden und so hoffe ich, dass die gähnende Leere auf der Startseite bald verschwindet und sich stattdessen ein buntes Abbild unserer Leben zeichnet.
BeLate
Bei der ersten Benachrichtigung, die BeReal mir sendet, stresse ich mich noch total ab. Ich sitze wenig ansehnlich am Schreibtisch – neben meinem Laptopbildschirm leere Tassen, Zettel und der Rest meines Mittagessens. Zwei Minuten und einen halben Herzinfarkt später, habe ich es irgendwie geschafft, so wenig unaufgeräumte Szenerie wie möglich mit abzulichten. Dafür sehe ich unmöglich aus. Denn die App aktiviert beim Knipsen gleichzeitig die Vor- und Rückkamera meines Handys.
In den ersten Tagen schieße ich brav Fotos, wo auch immer ich gerade bin. Ob beim Bäcker in der Schlange, im Zug oder beim Zähneputzen. Nachdem mein Handy jedoch, während eines Arbeitsmeetings meint, es wäre jetzt Zeit für ein Bild, entdecke ich, dass sich die Benachrichtigung auch ignorieren lässt. Ich kann dann einfach später ein Bild machen. Poste ich ein BeLate, bekommen meine Freunde das zwar angezeigt, weitere Konsequenzen gibt es aber nicht. Und so schleicht sich die Gewohnheit ein, auf einen hübscheren Moment zu warten. Den fancy Drink am Abend oder die schöne Aussicht beim Spaziergang, statt mein verheultes Gesicht oder das ungespülte Geschirr.
Etwas näher
Doch ich merke auch wie selten solche Highlights tagein tagaus sind. Die Realität scheint langweiliger als unserem Instagram geprägten Blick lieb ist, denn auch auf meiner Startseite sehe ich eine Menge Laptops, wenig präsentabele Mittagessen und ziemlich oft auch das Innere von Zügen. Das beruhigt mich einerseits – die meisten Menschen scheinen einen genauso unspektakulären Alltag zu haben, wie ich – andererseits lässt das nicht viel Raum für Illusionen.
ist immer noch weit weg
Auch wenn die BeReal Community kleiner ist und ich anfangs den Eindruck bekomme, authentische Einblicke in das Leben meiner Freunde zu gewinnen, muss ich mit der Zeit doch feststellen, dass auch hier ein Ausschnitt der Wirklichkeit in ihrem möglichst ansehnlichsten Blickwinkel präsentiert wird. Auch wenn BeReal ein weniger glamouröses Wirkliche zeigt, Nähe entsteht auch hier nicht. Und irgendwie bin ich auch froh darüber, dass authentische Begegnungen im echten Leben doch nicht so einfach durch ein digitales Tool zu ersetzen sind.