Dietrich Bonhoeffer, diesen Namen hat wohl jeder schonmal gehört. Doch was verbirgt sich hinter dem bekannten Widerstandskämpfer aus der Nazi-Zeit? Die Filmbiographie „Bonhoeffer“ kam im März in die deutschen Kinos und zeigt das Leben des evangelischen Theologen, von der Kindheit bis zur Hinrichtung durch die Nationalsozialisten. Und es ist ein beeindruckendes Leben: Schon mit 24 Jahren war er Professor der Theologie und setzte sich sehr früh gegen die Verfolgung der Juden ein. Auch an den Attentatsplänen des 20. Juli 1944 gegen Adolf Hitler war Bonhoeffer beteiligt.
Der Film erschien in den USA schon im November und wurde als „untold true story“ beworben – was die Messlatte für ein Biopic sehr hoch legt. Besonders weil Bonhoeffer ein sehr komplexer Charakter ist, haben sich viele Zuschauer die Frage gestellt, was für einen Bonhoeffer man in der neuen Biografie zu sehen bekommt.
Erinnerungen hinter Gittern
Der Film zeigt zu Beginn Dietrichs unbeschwerte Kindheit. Diese Idylle wird allerdings schnell durchbrochen: Plötzlich sieht man den erwachsenen Bonhoeffer nach seiner Festnahme durch die SS in einer kargen Zelle liegen. Ab diesem Zeitpunkt wird Bonhoeffers Geschichte mittels Rückblenden erzählt, beginnend mit dem Tod seines Bruders Walter im Ersten Weltkrieg. Von Dietrichs Studienjahren wird vor allem die Zeit in New York erwähnt, wo er in einer afroamerikanischen Baptistenkirche eine andere Art des Glaubens kennenlernt, die ihn stark prägt. Zurück in Deutschland wird Bonhoeffer mit dem Einfluss der Nationalsozialisten auf Gesellschaft und Kirche konfrontiert. Als Gegner der Nazis spricht er Klartext in der Kirche, wird schließlich Spion und engagiert sich im Widerstand. Nach dem missglückten Attentat auf Hitler wird Bonhoeffer verhaftet und am Ende des Films von der SS gehängt.
Zwischen Fakten und Fiktion
Wer sich bereits näher mit der Person Dietrich Bonhoeffer befasst hat, wird im Film kleinere und größere historische Ungereimtheiten entdecken. Ein Beispiel: Im Film hält der Theologe Martin Niemöller eine mutige Predigt gegen die Nazis – nach der Reichspogromnacht 1938. Kleiner Haken: In Wirklichkeit saß der Prediger schon 1937 in Haft. Außerdem verfasste er die im Film gezeigten Predigt-Texte auch erst als die Diktatur der Nazis schon vorbei war. Als persönliches Schuldeingeständnis für seinen fehlenden Mut während der NS-Zeit.
Bonhoeffers Rolle im Widerstand wird sehr frei interpretiert. Obwohl er eigentlich überzeugter Pazifist war, wird sein innerer Konflikt in Bezug auf den Widerstand nicht thematisiert. Oft fallen Zitate Bonhoeffers, die seine Rolle im aktiven Widerstand unterstreichen, wie: „Wenn wir nichts tun, machen wir uns auch schuldig.“ Auch der Tod Bonhoeffers am Ende des Films entspricht nicht historischen Tatsachen. Eigentlich wurde er im KZ Flossenbürg gehängt, im Film wird dies jedoch anders dargestellt. Der Regisseur meint dazu: „Wir haben diese Szene nicht im KZ dargestellt, weil es schon so viele Filme gegeben hat, in denen Szenen im KZ stattfinden.“
Gerade das deutsche Publikum hatte natürlich eine hohe Erwartung an den Film, besonders da deutsche Schauspieler wie Jonas Dassler, Moritz Bleibtreu und August Diehl in tragenden Rollen zu sehen waren. Nach dem Kino-Start kam es in Deutschland zu heftigen Kontroversen um den Film. Kritik rief unter anderem die Vermarktung des Films in den USA hervor. Der Kinoverleih Angel Studios kaufte im November 2023 die Rechte für den Film und machte aus dem Arbeitstitel „God’s Spy“ der Filmemacher den reißerischen Filmtitel „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“ Auf dem amerikanischen Filmplakat hielt der Theologe eine Waffe in der Hand – eine krasse Verdrehung der Geschichte. Für den deutschen Markt wurden Titel und Trailer des Films verändert.
Ein Bonhoeffer, der nie existierte
Dramaturgisch ist „Bonhoeffer“ gut gemacht – ein spannendes Biopic, wenn man seine Geschichte noch nicht kennt. Der Film soll zum Diskurs anregen. Das betonte Schauspieler Patrick Mölleken (Walter Bonhoeffer) bei einer Filmvorführung in Köln: „Ich stehe voll und ganz hinter diesem Film. Mir geht es darum, dass man mit so einem Film sensibilisiert – gerade aufgrund der politischen Lage. Obwohl der Film vor 80 Jahren spielt, ist er ein so tagesaktuelles Werk, dass mich das erschreckt.“. Die Frage bleibt: Wie weit darf eine Filmbiografie von den Fakten abweichen? Das Versprechen der „true untold story“ hält der Film nicht.