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Compassion fatigue

Geteiltes Leid ist halbes Leid?

Wenn aus geteiltem doppeltes Leid wird
Sich mit dem Leid anderer Menschen zu beschäftigen, funktioniert nicht nebenbei. "Mitgefühlsmüdigkeit" meint, dass nicht nur Betroffene, sondern auch deren Ansprechpartner unter den Folgen eines Traumas leiden können.

Mitleiden zu können ist zweifellos eine der wertvollsten menschlichen Eigenschaften, doch sie kann auch mit eigenem Leid verbunden sein: Sich den traumatischen Erfahrungen, Sorgen, und Ängsten anderer Menschen auszusetzen, funktioniert nicht einfach nebenbei. Die Konfrontation mit solchen Lebensthemen geht auf Dauer auch nicht spurlos an den Helfenden, Zuhörenden und Mitfühlenden vorüber. In manchen Fällen kommt es bei diesen Personen zu einer starken emotionalen Erschöpfung, einer zunehmenden Abstumpfung oder sogar zu Zügen einer Traumatisierung.

Fürsorge kostet

Dass die Fürsorge für andere unvermeidlich mit eigenen Kosten verbunden ist, fand Charles Figey heraus, der als einer der ersten das Phänomen der Mitgefühlsmüdigkeit untersuchte. Er stellte einen Bumerangeffekt von Traumata fest: Menschen können auch dadurch traumatisiert werden, dass sie anderen Menschen mit ihrem Leid helfen. Daher spricht man auch von „sekundärer Traumatisierung“.

Besonders anfällig dafür sind gerade die helfenden Berufsgruppen: Dass man bei der Polizei, im Rettungsdienst oder der Pflege irgendwann mal mit traumatischen Bildern, Ereignissen oder Erzählungen konfrontiert wird, ist quasi vorprogrammiert.

Das Risiko in diesen Berufen irgendwann Symptome der sekundären Traumatisierung zu entwickeln, liegt zwischen neun und 15 Prozent. Aber auch Psychologen, Therapeuten und Sozialarbeiter können davon betroffen sein. Für Menschen, die seelsorgerlich tätig sind, gilt ähnliches. Insgesamt sind hier Menschen im Blick, die eine hohe Empathie aufweisen: Denn ihnen fällt es oft schwer eine innerliche Distanz zu den Erlebnissen anderer herzustellen.

Tief im Innern

Wenn mich Einfühlen und Mitfühlen anfällig macht, eine solche „compassion fatigue“ zu entwickeln, sollte ich mir diese Gefühlsregungen dann besser abtrainieren? Zuallererst sollten wir das Mitfühlen und Mitleiden würdigen! Gerade als Christen. Denn Christus macht es uns vor: Er lässt sich von den Schicksalen der Menschen, denen er begegnet bis ins Innerste erschüttern. Wortwörtlich: Was Luther mit „es jammerte ihn“ übersetzte, ist im Griechischen auch ein Ausdruck für die Eingeweide des Menschen. Aus dieser Perspektive haben Mitgefühl und Trost nicht nur eine emotionale Komponente, sondern sind ganzheitlich zu verstehen.

Verantwortungsvoller Umgang

Aber auch die Grenzen unseres eigenen Mitleidens müssen wir würdigen können. Gerade weil mitfühlende Mitmenschen ein solcher Schatz sind, müssen wir mit dieser Ressource sorgsam umgehen.

Dazu gehört zuerst wahrzunehmen, ab wann die Menge der traumatischen Geschichten oder die Begleitung einer bestimmten Person meine emotionalen Kapazitäten übersteigt. Im nächsten Schritt heißt es ganz praktische Grenzen zu setzen. Das verlangt mir möglicherweise ab, den Anspruch an mich selbst herunterzuschrauben und führt wohlmöglich dazu, dass wir die Erwartungen anderer nicht immer erfüllen können.

Grenzen setzten

Eat, Sleep Repeat: Leider neigen wir Menschen gerade in emotional herausfordernden Phasen dazu, unsere Grundbedürfnisse hintenan zu stellen. Und wir unterschätzen die Auswirkungen davon: Ohne regelmäßig und ausreichend Schlaf, Essen und Trinken geht es nicht dauerhaft! Übermüdung ist ein deutlicher Risikofaktor für eine compasssion fatigue.

Take a Break: Wir brauchen Pausen. Nimm dir jeden Tag zumindest etwas Zeit zum Runterkommen – gerade dann, wenn du das Gefühl hast, dir keine Zeit nehmen zu können.

Nicht alleine bleiben: Bleibe mit deinen Gedanken und Gefühlen über die belastenden Erfahrungen anderer Menschen nicht alleine, sondern teile dich mit! Sei es in einem professionellen Rahmen in Gesprächsgruppen oder Therapien oder zu Hause bei Freunden und Familie.

Balance halten lernen: Keine einfache Aufgabe, aber dennoch die entscheidende Kompetenz für helfende Personen: Finde heraus, wie ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz in der der mitfühlenden Begleitung von Menschen für dich aussehen kann.

Abgeben: Wenn wir als Christen helfend und tröstend unterwegs sind, dürfen wir uns zweierlei bewusst sein: Zum einen sind wir nicht alleine unterwegs. Wir trösten nicht aus eigener Kraft, sondern sind mit dem Heiligen Geist ausgerüstet. Passenderweise wird er in der Bibel auch „Tröster“ genannt. Ihm dürfen wir auch die Menschen um uns herum anvertrauen und dadurch sie und ihre Schicksale loslassen lernen. Mir hilft es, nach einem schwierigen Gespräch direkt zu beten und das grade Besprochene bewusst bei Jesus abzuladen.

Julia Bothe

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