Home

Artikel

DRAN

DRAN bestellen

Der geplatzte Olympia-Traum

Trotz Bestzeiten wird Niklas nur Ersatläufer bei Olympia.
Niklas Klei ist aktuell der drittschnellste deutsche Leichtathlet. Von der Konkurrenz trennen ihn nur wenige Zehntelsekunden. Wie es der 25-Jährige schafft, auch nach dem Olympia-Alptraum seine Identität nicht auf der Bahn zu suchen.

Wie fast jeder Siebenjährige wollte Niklas früher das machen, was der große Bruder macht: Leichtathletik. Und genau wie jeder junge Leichtathlet träumt Niklas von Olympia. Dieses Jahr wird der 25-Jährige dann tatsächlich für die 4x400m Staffel der Männer in Paris nominiert – allerdings als Ersatzmann. Obwohl seine Bestzeit in diesem Jahr für den fünfköpfigen deutschen Kader hätte reichen sollen: „Dadurch, dass ich nach den deutschen Meisterschaften die drittschnellste Zeit hatte, dachte ich, dass ich ziemlich sicher zu diesem Pool von Athleten gehöre, die auch laufen werden. Das ist dann leider nicht der Fall gewesen.“, erzählt Niklas.

Doch noch nach Paris

Hintergrund der Entscheidung sei sein Neulings-Status. „Es gibt doch einige, die stutzig geworden sind, weil ich mit 51 Sekunden in den Jugendjahren nicht gut war. Viele der Jungs, die momentan dabei sein, sind schon in einem 47er-Bereich gelaufen als sie 18 Jahre alt waren. Ich bin halt ein Spätzünder.“ Deshalb war Niklas auch noch bei keinem Trainingslager dabei und dem Bundestrainier kaum bekannt, der entschied, ihn als Ersatz zu nominieren.

Anders als in vorigen Jahren, reiste das Team 2024 auch nur zu fünft ins Olympia Dorf. Eine zusätzliche Enttäuschung für den Sportler, der seit 2018 in den USA Biologie studiert. „Das hat mir sehr weh getan, dass ich nicht in den Kader einberufen wurde, weil ich’s meiner Ansicht nach verdient hatte – einfach durch die Zeit, die ich gelaufen bin.“

Weil seine Freundin Tickets hat, fliegt Niklas mit ihr trotzdem nach Paris, holt sich seine Akkreditierung im Olympia Dorf ab, geht ins Stadion, besucht das Deutsche Haus, nimmt den Olympischen Gedanken mit. Eine gute Entscheidung, sagt er im Nachhinein, die ihm beim Abschließen geholfen hat: „Ich war echt am Überlegen, ob es vielleicht doch zu schmerzhaft ist – so nah dran und dann doch so weit weg. Dann dachte ich mir aber: Das lasse ich mir nicht nehmen. Meiner Meinung nach habe ich das Beste draus gemacht. Und jetzt schaue ich nach vorne.“

Next Stop: Tokio

Vorne, da stehen zunächst die Weltmeisterschaften in Tokio 2025 an. Das Training beginnt wenige Wochen nach Olympia und verlangt viel – circa 15 Stunden pro Woche im Kraftraum und auf der Tartanbahn. Dazu kommt Regeneration, genügend Schlaf, die richtige Ernährung. Ein typisches „What I eat in a day“ startet für Niklas mit drei Scheiben von seinem selbstgebackenen Brot und Spiegeleiern. Mittags ein Sandwich mit reichlich Proteinen, zwischendurch ein Shake und zum Abendessen Meal Prep – heute Chicken Adobo. Wann sich der disziplinierte Lifestyle auszahlt, kann der Spitzensportler an seinen Zeiten ablesen: „Wenn man harte Arbeit reinsteckt und das auf der Bahn schlau verbindet, hast du Resultate, die du supergut nachmessen kannst.“

Im nächsten Jahr hofft er sich von seiner aktuellen Bestzeit 46,02 noch in den 45er und vielleicht sogar 44er-Bereich vorzuarbeiten. Sich über das, was man auf der Bahn erbringt zu definieren, liegt nahe, bestätigt Niklas: „Es ist ein Sport, der nicht viel vergibt. Und dann kommen schlechte Tage, schlechte Saisons. Wenn sich alle mit dir über eine gute Zeit freuen wollen, und du läufst keine, ist das schon krass.“ Dass er als Christ seine Identität nicht auf der Bahn suchen muss, nimmt ordentlich Druck raus. Ein Gedanke, der ihm hilft, wenn die Leistung mal fehlt: „Gott liebt mich nicht mehr oder weniger, ob ich jetzt ne 46 laufe oder ne 56.“

Warum Mississippi?

Für Niklas stellt sich der Wettbewerbsgedanke in den USA anders dar: „In Deutschland ist das ein Einzelsport und hier echt ein Teamsport. Du trägst dein Uni-Emblem auf der Brust und da ist Stolz mit verbunden. Du läufst nicht nur für dich selbst.“ Zwischen Hallen- und Outdoorsaison reist Niklas in seinem Team meistens mit der schärfsten Konkurrenz an, doch Erfolge der Teamkollegen werden gefeiert wie die eigenen. So dankt er unter beinahe jedem seiner Insta-Posts Trainer, Team und Supportern.

Statt seine harte Arbeit anzupreisen, teilt er bei Erfolgen seinen Glauben. „Ich möchte Gott ehren, auch auf der Bahn und darin, wie ich mit anderen umgehe. Letztendlich stelle ich mir die Frage: Was ist für mich ein guter Wettkampf? Wenn ich schnell laufe? Zum Teil, auf jeden Fall. Aber auch, wenn ich Gott ehren kann und Menschen so liebe, wie Jesus sie liebt. Das ist letztendlich viel wichtiger.“ Dass er auf eine christliche Uni geht, an der viele diese Perspektive teilen, erleichtert enorm, beides zusammenzubringen.

Tatsächlich würde der 25-Jährige auch über sein Biologiestudium hinaus gern in den USA bleiben. Im Dezember gibt er seine Masterarbeit ab und schaut sich nach einem Halbtagsjob im Meeresbiologie-Bereich um. Den braucht er aus Visumsgründen, aber auch weil das Spitzenleichtathletendasein nicht so lukrativ ist, wie man denken könnte. Bei seinem deutschen Heimatverein angestellt und mit Stipendium kann Niklas Miete und die hohen Studiengebühren zahlen. Für den Rest ist er jedoch auf Unterstützung von Zuhause angewiesen. Durch seine Olympia-Nominierung hat er Chancen auch im nächsten Jahr im Bundeskader zu bleiben. Dann würde finanziell einiges leichter werden.

Was ist mit Olympia 2028?

Seine Chancen bei den Olympischen Sommerspielen 2028 in Los Angeles endlich zu laufen, rechnet der 25-Jährige sich gut aus: „Ich habe mich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert und ich bin jetzt kein unbeschriebenes Blatt mehr in der deutschen 400m-Szene. Ich weiß jetzt außerdem, welche Wettkämpfe ich laufen muss, um bei Trainingslagern dabei zu sein und mich für gewisse Events zu qualifizieren.“

Dass der Weg trotzdem nicht einfach wird, ist ihm klar. Viele werfen ein Auge auf die nächsten großen Wettkämpfe. Doch sage man auch, dass die Zeiten im Jahr nach Olympia eher abfallen als besser werden „weil viele diesen Blick Olympia haben.“, sagt Niklas. Dass es danach Motivationsschwierigkeiten gibt, wundert ihn nicht – „Selbst ein Usain Bolt hat damit nach seinen Weltrekorden wahnsinnige Probleme gehabt.“

Weltrekordhalter

So einen hat Niklas immerhin schon in der Tasche. 51,84 Sekunden auf 400 Meter in CROCS – das hat ihm bisher keiner nachgemacht. Die Social Media Challenge im Guinness Buch der Rekorde festhalten zu lassen wäre leider ziemlich teuer und aufwendig, aber dokumentiert ist der Rekord auf seinem Insta Kanal und mit fast 48.000 Likes gut angekommen.

Ann-Sophie Bartolomäus hat durch das Gespräch selbst ein bisschen Olympia Gefühl nachgeholt.
No posts found

DRAN Newsletter

Verpasse keine Neuigkeiten mehr!

Unsere Top-Empfehlungen