Edith, warum ist Dir dieses Buch so eine Herzensangelegenheit?
Katholisch sozialisiert hatte ich als Teenie meinen Ministrantinnen-Talar an den Nagel gehängt, weil mir der Glaube an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist so nicht passte, weil Frauen keine Pfarrerinnen werden durften und ich auch sonst so in der Kirche keinen Raum für mich und meinen immer mehr weiblich gelesenen Körper fand. Männer erzählten mir hauptsächlich Geschichten von Männern: Facettenreiche Weiblichkeit fand nicht statt – da war ich raus. Mit dem ersten Gehaltszettel und als Geheimnis vor Oma trat ich dann ganz offiziell aus der Kirche aus. Erst viele Jahre später, als ich mich mit meinem Journalismus immer mehr mit dem Patriarchat anlegte, spürte ich das ich an das Thema doch nochmal ranmuss. Ich will ja glauben, aber an was denn? Was kommt raus, wenn ich die verunglimpften Frauen der Bibel zu Wort kommen lasse?
Der Twist, dass die biblischen Frauen whatsappen ist besonders und auch die Sprache des Buches ist auffällig, bedenkt man die Tiefe der Aussage und auch die Arbeit der Recherche. Wieso war dir das wichtig?
Ich habe mir viele Publikationen zu Maria Magdalena oder zur großen Göttin angeschaut – entweder ich stieß auf wissenschaftliche Texte oder gar wundersame Channelings aus anderen Sphären. Obwohl sich auch die Popkultur seit langer Zeit an Figuren wie Maria oder Maria Magdalena abarbeitet, hat mir ein Zugang gefehlt, der zwar leicht daherkommt, aber es inhaltlich in sich hat und den Bogen zur Selbstbehauptung schlägt. Wenn einem etwas fehlt, dann muss man es eben erschaffen [lacht]. Aber an dieser Stelle würde ich gern meine Programmdirektorin Susann Brückner zitieren, denn ich liebe ihre Aussage: „Dieser Text ist frech. Oder, wie die Österreicher*innen gern sagen: Er scheißt sich nix. Er verstößt gegen Konventionen und tut dies leichtfüßig, fast schon im Hüpfschritt. Aber lasst euch nicht täuschen: Hier geht es um etwas. Es geht um Macht, um Repräsentation und darum, sich nichts mehr gefallen zu lassen.“
Ist Dein Buch nur was für Christ*innen?
Überhaupt nicht. Mir ist total wichtig, dass dieses Buch weder exklusiv für religiöse Menschen gelten darf, noch will ich irgendwen missionieren. Ich selbst bin auch nach dem Buch nicht religiös. Mir ist nur wichtig ein Gegengewicht zu den ganzen Männergeschichten zu liefern. Meiner Meinung nach ist dieses Buch für jeden Menschen, der auf unterhaltende Weise etwas über die weibliche Seite Gottes und über weibliche Figuren der Bibel erfahren möchte.
Bist Du Deinen Figuren schon mal im wahren Leben begegnet?
Die Pastorin Annina ist eine echte Figur in meinem Leben, für die ich sehr dankbar bin. Tatsächlich begann unsere Geschichte, weil ich einen Artikel über sie und ihr Kunstprojekt schrieb. Sie gab mir einen Anstoß, dass es durchaus mehr weibliche Figuren in der Bibel gibt, als ich zu kennen glaubte und wurde mir eine wichtige und weise Freundin.
Wie nah sind sich die Protagonistin Klara und Edith als Autorin?
Nah und fern zugleich. Es gibt natürlich schon einige Parallelen und bewusst eingebaute Wahrheiten aus meiner persönlichen Geschichte. Aber das Tolle am Roman ist doch, dass ich rumspinnen kann. Mich kenne ich ja schon, aber Klara kennenzulernen war ein großes Geschenk!
Weshalb konnte es kein Sachbuch werden?
Ich bin weder Theologin noch Historikerin und würde mir nie anmaßen, die Deutungshoheit über alte Texte zu beanspruchen. Als Journalistin habe ich mir erlaubt, die Rolle der Geschichtenerzählerin einzunehmen. Dabei habe ich recherchiert – von theologischen Abhandlungen bis hin zu esoterischen Foren, in denen behauptet wird, dass die heilige Maria höchstpersönlich schreibt[lacht]. Ich war in Südfrankreich in der Grotte, in der Maria Magdalena der Legende nach verstorben sein soll. Ich habe mich mit diesem Buch auf eine abgefahrene Reise eingelassen, die mich berührt hat. Durch die Form des Buches erlaube ich, all das miteinzubeziehen und Menschen weniger aufzuklären, sondern zu inspirieren. Damit Frauen ihre Heiligkeit zurückfordern können.
Was können wir beim Lesen lernen?
Viel über die weibliche Seite Gottes, die vielen Facetten der Heiligen und der Verteufelung des Weiblichen seitens der Katholischen Kirche. Auf Meta-Ebene würde ich sagen: Dass Wut berechtigt ist, aber wir aktiv am (inneren und äußeren) Frieden arbeiten müssen.