Welcome To Barbieland

Warum passiert guten Menschen Schlechtes?

„Wenn es einen Gott gibt, wieso kann er’s nicht verhindern?“ will K.I.Z. wissen. Springen wir mal in ein Gedankenexperiment.

Stell dir vor, du stehst morgen früh auf und über Nacht ist ein Wunder passiert: Du bist reich, schön, erfolgreich, gebildet und für immer gesund. Du bist die stereotype Barbie, der stereotype Ken. Heute ist ein weiterer perfekter Tag in Barbieland.
Aber was ist das? Barbie ist eigentlich unglücklich und einsam. Ken auch – WEIL JEDEN ABEND GILRS NIGHT IST! Kein anderer Mensch auf der Welt, dem es so gut geht. Alle beneiden dich. Doch niemand versteht dich, denn niemand weiß, wie es ist für immer reich, schön, erfolgreich, gebildet und gesund zu sein. Du hast keine Freunde, nur Bewunderer und deine Familie liebt dein Geld statt deine Persönlichkeit – davon hast du schließlich keine – woher auch? Du merkst: Ein Leben, in dem dir alles gelingt, ist nicht lebenswert. Du willst lieber aus Fehlern lernen und Herausforderungen erleben, lieber Freunde haben als perfekt zu sein, lieber wenig besitzen und dafür echte Liebe kennen.

"Denkt ihr manchmal ans Sterben?“

Wenn selbst Barbie über den Tod nachdenkt, stellt sich die Frage: Was ist schlimm an Schlechtem? Und was ist das Schlimmste, das einem Menschen passieren kann? Ich denke: Sterben kann’s nicht sein. Lies mal die Schöpfungsberichte in der Bibel – Der Tod hat selbst im Paradies zum Leben dazu gehört. Gott erschafft den Garten Eden und pflanzt dort den Baum der Erkenntnis. Die Strafe für das Essen einer Frucht dieses Baums: sterben. Wer hat’s erfunden? Gott. Gott erschafft das Leben und mit dem Leben auch das Sterben.
Außerdem: Jesus selbst stirbt auch. Schauen wir uns das Sterben Jesu an. In all dem körperlichen Leid, in allem Spott und Hohn, hebt Jesus selbst einen Aspekt seines Leidens hervor. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, steht in Psalm 22,2, nicht: „Mein Gott, mein Gott, warum muss ich so viele Schmerzen erleiden, warum sterbe ich am Kreuz?!“ Nein. Warum hast du mich verlassen? Vielleicht ist das ja das Schlimmste.

Was heißt hier schlecht?

Lass es uns kurz noch ein bisschen komplizierter machen, bevor es am Ende einfacher wird. Um der Frage vom Anfang näher zu kommen, müssten wir definieren: Was ist eigentlich schlecht? Eine Hebamme fragte mich mal, warum so viele Frauen ungewollt Mütter werden, während Paare mit langem Kinderwunsch keine bekommen können. In beiden Fällen entsteht Leidensdruck. Wieso lässt Gott das zu?
Für den ersten Teil gehen wir noch mal an den Anfang der biblischen Geschichten, Genesis, in den Garten Eden. Gott schafft den Menschen nach seinem Ebenbild – er ist Gott ähnlich. Das verleiht ihm Würde, egal, unter welchen Umständen er aufwächst und egal, was dieser Mensch leisten wird. Das ist auch deine Grundausstattung als Mensch. Sowas wie dein Betriebssystem. Und auch wenn der Mensch nach seiner Erschaffung blöderweise in den Apple beißt, (sorry for that, den konnte ich nicht liegen lassen) heißt das konkret: Gott ist ein kreativer Schöpfer und gibt uns Anteil an seiner Schöpferkraft. Er geht sogar so weit, dass wir Anteil am Erschaffungsprozess eines neuen Menschen bekommen.
Dass Gott diesen Status nie aufhebt, egal, wie gut oder schlecht wir damit umgehen, sagt etwas über ihn aus: Jeder Mensch hat denselben Wert in seinen Augen und kein Mensch kann diesen Status verlieren. Gott entzieht keinem Menschen seine Würde, selbst wenn man dieser Ebenbildlichkeit in der Art seines Lebens sicher mehr oder weniger gerecht werden kann. Gott ist gnädig, er liebt Menschen, die in Freiheit ihr Leben leben. So hat er es sich gedacht.

Leid ist nicht gleich Strafe

In Johannes 9,1-3 fragen die Jünger Jesus, ob die Eltern des blindgeborenen Mannes am Wegesrand gesündigt hätten oder er selbst sein Augenlicht durch unreine Taten verspielt hätte. Jesus antwortet: „Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“ Schlechtes ist in unserem Leben kein Hinweis auf Gottes Enttäuschung oder Zorn über uns.
Unterm Strich: Man kann sich Kinder zur Erfüllung der eigenen Lebensträume nicht verdienen, genauso wenig ein Leben in Gesundheit oder Erfolg. Gleichzeitig handelt es sich nicht um eine Strafe Gottes, die offenbart wie gut oder schlecht ein Mensch ist. Denn das würde ja bedeuten, wir könnten Gott gefallen, indem wir Leistung bringen.

Der Baum und die Sünde

Worauf weist Leid in unserem Leben denn dann hin? Sünde. Vielleicht schrillen bei dir jetzt alle Alarmglocken, weil das doch irgendwie nach Bestrafung klingt. Sünde ist allerdings ein Begriff, der meint vielmehr als du vermutlich denkst. Es geht nicht zuerst um deine Fehler. Wenn die Bibel sagt, dass diese Welt von der Macht der Sünde beherrscht ist, dann heißt das erst einmal, dass diese Welt unperfekt ist und du mit ihr.
Denk dran: Der Baum der Erkenntnis – das Sterben war von Anfang an Teil der Schöpfung! Dafür kannst du als Mensch gar nichts. Hast du den Baum gepflanzt, oder was? Ne. Bevor du da warst, war der Baum schon da. Und das ist ein fantastisches Bild für Sünde. Es ist nicht deine Schuld, dass diese Welt ist wie sie ist, doch du musst es leider trotzdem aushalten. Und genau da beginnt die Botschaft des Evangeliums. Das ist die gute Nachricht und da setzt sie in deinem Leben an. Denn aus dieser Ohnmacht hat Jesus dich gerettet. Er hat den Kopf für dich hingehalten und jeden deiner Leidensmomente gefühlt, sodass er heute mit dir durchs Feuer gehen kann.

Die Spannung ertragen

Jesus hing allein am Kreuz und sagte: Mein Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen? Jesus hat den schlimmsten Moment, den du dir vorstellen kannst, schon durch – und zwar für dich. Die Gute Nachricht ist deshalb nicht die, dass dir nur noch Gutes passiert. Ich würde sagen: Die Gute Nachricht ist besser als das. Gott hat dich nicht dazu erlöst, perfekt zu sein, er hat dich erlöst, um frei zu sein. Das hat ihn in den Tod getrieben. Er hat an dich und dein Leid gedacht am Kreuz, hat es gefühlt, mit ins Grab genommen und hat es dort gelassen, weil er vom Tod auferstanden ist.
Ich glaube: Schlimmer als ein Leben in Armut oder Krankheit ist ein Leben in Einsamkeit – getrennt von Gott und getrennt von Menschen.

Wenn es einen Gott gibt, wieso kann er’s nicht verhindern? Vielleicht will er’s nicht verhindern, damit wir frei sind und weil ein Leben in Plastik und Perfektion nichts mit Freiheit zu tun hat. Vielleicht hat er das schlimmste Leid – die Perspektive auf ewige Einsamkeit – erkannt und uns für immer davon erlöst. Dass Leid im Leben trotzdem unfassbar schmerzt, fühl ich. Und doch kann ich so diese Spannung ertragen und an einen guten Gott glauben. Weil er unser schlimmstes Leid gesehen und gefühlt hat. Slay.

Jannik Müller

ist Jugendpastor und lebt in München.

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Real Life Guys beten vor dem Krankenhaus

Leben und Sterben auf Film

Alexander Zehrer (links) und Lukas Augustin (rechts). Foto: Siloam Productions Wie kam es dazu, dass ihr diese Doku drehen wolltet? Lukas Augustin: Durch meine eigene Biografie habe ich verschiedene Leute kennengelernt, die durch eine schwere Zeit gegangen sind. Die Frage wie Menschen mit Leid umgehen, hat mich schon länger beschäftigt. Irgendwann hatten wir dann Kontakt mit einer Produktionsfirma aus der Schweiz, die gesagt hat, sie würden gerne mit uns einen Film machen. Wir haben über dieses Thema gesprochen und wie wichtig es ist, eben nicht rückblickend so eine Geschichte zu erzählen, wie jemand mit einer krassen Erfahrung umgeht, sondern dabei zu sein und Menschen in dieser Situation zu begleiten. Alexander Zehrer: Damals hatten wir nur die Idee, wir hatten keinen Protagonisten im Kopf, der dafür passen würde. Ich hatte zwei Wochen vorher durch Zufall diese Talkshow im NDR gesehen, wo Philipp das erste Mal öffentlich von seiner Krebserkrankung gesprochen hat. Dann habe ich gegoogelt, wer dieser Typ ist und bin so auf die Real Life Guys und Life Lion gestoßen. Ich habe mir das angeguckt und dachte, wow, was für ein Typ! Ich war total gefangen von deren Story, auch von der ganzen Vorgeschichte mit seiner Schwester Elli. Wir haben den Kontakt hergestellt und Philipp hat zugesagt, dass er mit uns die Doku anfangen würde. Anfang Februar 2021 sind wir also nach Bickenbach gefahren. Ich weiß noch, wir sind mit unseren Kamera-Taschen angekommen, mit null Ahnung, was uns erwartet, nur mit dieser Dankbarkeit, dass wir Philipp begleiten dürfen. Wir wussten nicht mal, wie lang das Projekt laufen würde. Ist das eine Doku, die wir anfangen und dann geht das ein Jahr oder vielleicht mehrere? Wir sind hergefahren mit dem Gefühl, jeder Dreh könnte auch der letzte sein und so haben wir auch immer gedreht. Weil wir nie wussten, wie lange geht das noch. Philipp war in einem körperlichen Zustand, wo man überhaupt nicht gemerkt hat, wie schlecht es um ihn stand. Wenn ich die Beule auf seiner Brust nicht gesehen hätte oder die Wunde später, dann hätte ich in den ersten Monaten, überhaupt nicht gecheckt, dass er Krebs im Endstadium hat. Ansonsten war für uns die Hauptherausforderung, auch generell bei Dokumentarfilmen, Nähe zu den Protagonisten zu gewinnen. Und wie hat sich die Nähe dann entwickelt? Lukas: Am Anfang war auf jeden Fall Zurückhaltung da, weil wir halt Stranger aus Berlin waren. Alex: Aber wir kamen ja nicht hierher, haben uns im Hotel einquartiert und sind wieder heimgefahren. Vom ersten Tag an haben wir bei euch auf der Couch geschlafen oder bei Phillips Eltern im alten Kinderzimmer. Es war kein Geld da für eine eigene Wohnung, also waren wir plötzlich einfach Teil eures Lebens. Man hat gemerkt, je mehr wir da waren, desto mehr hat sich eine Freundschaft entwickelt. Gab es einen Moment, in dem ihr gedacht habt „Jetzt sind wir Teil des Freundeskreises“? Lukas: Ich glaube, der Wendepunkt war die Reise in die Dominikanische Republik. Philipp wollte ja nochmal eine Reise machen. Er hat mir spontan eine Woche vorher eine WhatsApp geschickt und gesagt: „Hey, ich überlege, mit ein paar Freunden jetzt in die Karibik zu fliegen.“ Wir waren oft abends noch bei ihm auf dem Zimmer und eigentlich 24/7 mit euch unterwegs. Und mit der Zeit haben wir gemerkt, wir sind nicht länger Beobachter, sondern wir sind Freunde geworden und wünschen uns genauso sehr, dass Philipp wieder gesund wird. Diese journalistische Distanz, die ich normalerweise bei meinen Projekten hab, habe ich in dieser Zeit total verloren. Und auch Philipp hatte diese Freiheit, dass er nicht das Gefühl hatte, er muss jetzt irgendwas verstecken vor uns. Davon profitiert so ein Dokumentarfilm natürlich extrem, weil man das Gefühl hat, man taucht wirklich ein in diese Welt, in eure Welt. Dafür bin ich total dankbar. Lukas und Philipp sprechen über Leben und Sterben. Foto: Siloam Productions Alex verbindet Philipps Wunde. Foto: Siloam Productions Auf welche Momente in der Doku freut ihr euch besonders, sie den Leuten zu zeigen? Lukas: Es gab ständig solche Momente: die Abende am Strand, wo wir zusammen gesungen und gebetet haben, wo man einfach gespürt hat, ihr streckt euch nach Gott aus und versucht Antworten auf eure Fragen zu bekommen. Es ist nicht einfach alles geklärt, nur weil ihr diesen Glauben habt. Es ist eigentlich die ganze Zeit ein Struggle, wie man jetzt noch daran festhalten kann. Ob es noch Hoffnung gibt und was ist, wenn Philipp stirbt. Diese Suche nach Lösungen in einer eigentlich hoffnungslosen Situation und auch diese Zuversicht, dann trotzdem nicht komplett den Verstand zu verlieren, sondern so klar und ruhig zu bleiben, war sehr beeindruckend. Ich stelle es mir schwierig vor: du lernst jemanden kennen, gewinnst ihn mehr und mehr als Freund und siehst gleichzeitig, wie seine Gesundheit Tag für Tag schwindet. Aber du musst weiterhin die Kamera draufhalten, um die Geschichte zu Ende zu erzählen. Dachtet ihr manchmal, eigentlich wäre es jetzt nicht angemessen zu drehen, aber wir müssen die Doku zu Ende drehen? Lukas: Das war auf jeden Fall die ganze Zeit eine Gratwanderung für uns. Weil es uns wichtig war, dass wir Philipp nicht in seinem Leid vorführen. Und gleichzeitig wussten wir, das gehört eben zu seiner Geschichte dazu und das ist auch sein expliziter Wunsch gewesen. Er hat immer wieder gesagt, dass wir sein Real Life festhalten und nichts beschönigen sollen. Wir waren auch oft einfach nur da in diesen Momenten und haben nicht gedreht. Aber es gibt natürlich viele Momente, wo wir uns trotzdem entscheiden mussten, die Kamera laufen zu lassen, denn sonst hätte uns ein wichtiger Teil von der Geschichte gefehlt, um ein authentisches Bild zu zeigen. Es ist uns in diesen Situationen auf jeden Fall nie leichtgefallen, einfach weiterzudrehen. In machen Situation wollte man ihn einfach nur umarmen oder bei ihm sein und das haben wir auch oft gemacht. Auf der anderen Seite hatten wir die Rolle als Filmemacher. Uns war von Anfang an klar, dass es herausfordernd wird und dass es Momente geben wird, wo es auch für uns schmerzhaft ist dabei zu sein. Alex: Es war ja so, dass auch immer wieder Kamerateams für andere Sender vorbeikamen. Die waren dann ein, zwei Tage da, haben ihre Sachen gefilmt und sind wieder gegangen. Wir dagegen waren da, wenn ihr aufgewacht seid und wenn ihr nachts um vier schlafen gegangen seid, die Kameras waren ständig präsent und irgendwann haben wir gemerkt, dass das auch total egal ist, ob wir da sind oder nicht. Ihr habt einfach euer Ding durchgezogen und wir waren da, ob die Kamera jetzt an war oder nicht, das war total egal. Ihr habt das gar nicht mehr beachtet und so war es dann auch in den schweren Momenten. Als Philipp in seinem Zimmer lag und schlecht Luft bekommen hat und Schmerzen hatte. Klar war es dann auch komisch, das zu drehen, aber es war trotzdem natürlich. Es war schwer, aber irgendwie habt ihr uns das auch total leicht gemacht. Gab es Momente, die ihr gerne auf Band gehabt hättet und die euch jetzt fehlen? Lukas: Eine Herausforderung war, dass wir in Berlin wohnen und ihr wohnt in Bickenbach, das sind immer sechs Stunden Zugfahrt. Wir haben beide Familien und kleine Kinder – das heißt, wir konnten jetzt nicht bei euch einziehen. Wir hatten auch ein Leben neben der Doku. Also natürlich gab es Momente, wo wir gerne dabei gewesen wären. Zum Beispiel nach der Reise in die Dominikanische Republik – da habt ihr euch als Freundeskreis hingesetzt und Tacheles geredet. Ihr habt angefangen, Pläne zu machen und Leute einzuweisen, was zu tun ist, wenn es Philipp schlecht geht. Also wie funktioniert das mit Morphium spritzen und so weiter. Das war ein Moment, wo wir gern dabei gewesen wären und gefilmt hätten, wie der Freundeskreis mit dieser Situation umgeht und man solche Sachen bespricht. Es war aber für uns beide nicht möglich, da zu sein. Alex: Oder als Philipp gestorben ist. Da war ich gerade in einem anderen Projekt unterwegs als Janet uns schrieb, dass Philipp angefangen hat zu bluten. Ich habe dann sofort Lukas angerufen und gefragt, ob er losfahren kann. Lukas ist hingefahren und hat dann die letzten zwei Tage in Bickenbach verbracht mit euch allen. Ich war woanders und hab mich dort total fehl am Platz gefühlt. Abends habe ich am Telefon erfahren, dass Philipp gestorben ist – ich weiß noch, dass ich zu meiner Frau gegangen bin, angefangen habe zu weinen und meinte, dass ich jetzt los muss. Also habe ich mich ins Auto gesetzt und bin die Nacht durchgefahren. Lukas ist um fünf Uhr morgens nach Hause gefahren, ich kam zur selben Zeit bei euch an und wir haben uns die Klinke in die Hand gedrückt. Ich habe dann die nächsten Tage da verbracht und dort weitergedreht, wo Lukas aufgehört hat. Lukas: Und trotzdem finde ich es einfach krass, wie oft wir in entscheidenden, wichtigen Situationen da waren, bis hin zu seinem letzten Atemzug. Was war eure größte Herausforderung in der Postproduktion? Alex: Die große Storyline stand ja, wir mussten dann schauen, was wir von diesen über 200 Stunden gedrehtem Material nehmen. Welchen Raum gibt man welchem Thema? Es gab Szenen, wo wir damals beim Drehen dachten, das wäre ein ganz toller Moment, aber dann beim Schneiden gemerkt haben, dass es nicht funktioniert wie gedacht. Und andere Situationen, wo wir dachten, wir drehen einfach mal, sind total authentische Aufnahmen geworden. Diese Nuggets rauszuarbeiten war letztlich die größte Herausforderung. Das Crowdfunding für die Doku hat insgesamt 550.000€ eingebracht. Habt ihr damit gerechnet, dass es so erfolgreich sein würde? Alex: Auf keinen Fall. Das Crowdfunding ist absolut durch die Decke gegangen und das hat ermöglicht diesen Film auf einer professionellen Ebene produzieren lassen zu können. Es waren nicht nur wir beide mit am Start, sondern da war ein ganzes Team involviert, von Editor, Assistenten, Sound Designern, Farbkorrektur, Marketing, Produktion. Das Besondere ist, dass es keine große Filmförderung gab, die da eine halbe Million reingebuttert hat, sondern dass es fast 7.000 Leute sind, die dafür gespendet haben. Lukas: Wir sind einfach total dankbar, jetzt alle Register ziehen zu können, damit möglichst viele Menschen diese Story von Philipp sehen. Gibt es Sachen aus der Zeit, die ihr für euch mitgenommen habt? Alex: Euer Motto „do something“, also einfach unterwegs zu sein, was zu machen, hat mich total inspiriert. Es inspiriert auch sicher viele andere, zu sehen: Da sind junge Menschen, die einfach ihren Traum leben, aber dann auch maximal herausgefordert sind durch diese Krankheit. Der Krebs hat ja nicht nur Philipp beeinträchtigt, sondern euch alle geprägt. Und trotzdem habt ihr das als Freunde zusammen durchgestanden. Wir alle kennen oberflächlichen happy clappy Freundschaft, aber bei euch spürt man diese Tiefe. Zu sehen, wie ihr durch dick und dünn gegangen seid und auch noch geht, ist sehr ermutigend. Das hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, Freundschaften zu pflegen und in Beziehungen zu investieren. Außerdem den Mut zu hinterfragen, was es mit diesem christliche Glaube auf sich hat – ist es das was, woran du nur denkst, wenn es dir schlecht geht, oder ist der Glaube ein Lifestyle, wo du Jesus in deinen Alltag mit aufnimmst, egal ob es dir gut oder schlecht geht.

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Mein Garten - dein Garten

Wie du gesunde Grenzen setzt

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich vor einigen Jahren an meinem absoluten Tiefpunkt angekommen war. Die einfachsten Dinge überforderten mich, ich kämpfte täglich mit Panikattacken und musste viele Situationen, die zuvor zur Normalität gehört hatten, meiden. Letztendlich konnte ich weder arbeiten noch mein Studium beenden. Mittlerweile weiß ich, dass es viele kleine Bausteine waren, die den Turm zum Einsturz gebracht hatten. Und einer der Wichtigsten davon, hatte mit meinen Grenzen zu tun. Ich wollte es immer allen Menschen rechtmachen und dabei übernahm ich mich regelmäßig selbst. Ich wollte bloß niemanden enttäuschen und fühlte mich sehr schnell für alles und jeden verantwortlich, vor allem für diejenigen, die mir am wichtigsten waren. Das Konzept von Grenzen war mir damals nicht bekannt. Heute ist es einer der wichtigsten Bausteine, auf denen ich Beziehungen aufbaue. Was sind gesunde Grenzen? Gesunde Grenzen verlaufen für mich dort, wo ich anfange und die andere Person endet. Klingt kompliziert? Lass es mich erklären: Stell dir vor, du hast ein Haus und einen Garten. Nebenan wohnt dein Nachbar. Er hat ebenfalls ein Haus mit Garten. Für alles was auf deinem Grund und Boden geschieht bist du verantwortlich. Für alles was auf dem Nachbargrundstück geschieht, dein Nachbar. Um die Verantwortungsbereiche klarer abzugrenzen, stellst du einen Zaun auf. Der Zaun ist außerdem ein Schutz vor Gefahren und Eindringlingen von außen. Du, dein Haus und dein Garten stehen sinnbildlich für deine Gefühle, deine Gedanken und deine Entscheidungen. Dein Nachbar, sein Haus und sein Garten wiederum für die seinen. Der Zaun versinnbildlicht die Grenzen, die du setzt. Denn du allein bist für deine Gefühle, deine Gedanken und deine Entscheidungen verantwortlich. Und um das für dich und deinen Nachbarn klar zu machen, ist es wichtig Grenzen zu ziehen. Wofür sind Grenzen da? Gesunde Grenzen beschützen die Beziehung zu dir selbst. Wenn du Grenzen und Limits hast, weißt du ganz genau, wo du beginnst und wo du aufhörst. Du vertraust dir selbst und kannst mit Überzeugung kommunizieren, was du dir gefallen lässt und was nicht. Grenzen bauen Selbstvertrauen und definieren, wofür du wirklich verantwortlich bist und wofür nicht. Gesunde Grenzen beschützen gleichzeitig auch deine Beziehungen mit anderen. Wenn du weißt, wer für was verantwortlich ist, kannst du dich entspannen. Du musst nicht versuchen Gott im Leben anderer zu spielen, indem du zu viel machst und auch nicht anderen zu viel Platz in deinem Leben einräumen, indem du überall Verantwortung übernimmst. Grenzen sind gut für dich und für andere. Woher weißt du, dass du Grenzen brauchst? Hier sind vier Anzeichen, dass du womöglich an deinen Grenzen arbeiten solltest: Du vernachlässigst dich selbst. „Setzen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf und helfen Sie dann anderen.“, diese Aussage kennt jeder aus dem Flugzeug. Es klingt einfach, aber das ist es oft nicht. Sich um sich selbst zu kümmern ist mehr, als ein bisschen Wellness und ist alles andere als selbstsüchtig. Dazu gehört zum Beispiel Nein zu sagen und sich seiner eigenen Bedürfnisse bewusst zu sein. Und genau wie bei dem Beispiel mit der Sauerstoffmaske wirst du mehr Energie dafür haben anderen zu helfen, wenn du dich erst um dich selbst sorgst. Du fühlst dich überfordert. Überforderte Menschen haben mehr zu tun, als sie Zeit haben. Heutzutage ist diese Art der Geschäftigkeit normal und das Wohlbefinden vieler Menschen der Preis dafür. Gesunde Grenzen zu verstehen ist ein proaktiver Weg, um herauszufinden, was wirklich machbar ist. Du hegst einen inneren Groll gegen andere. Wenn wir keine Grenzen setzen, mündet das oft darin, dass wir uns ausgenutzt, frustriert, verärgert, genervt oder verbittert fühlen. Das verändert die Art und Weise wie wir mit anderen umgehen und erlaubt uns nicht, uns in Beziehungen von der besten Seite zu zeigen. Wenn wir einen inneren Groll hegen, tun wir Dinge für andere aus Pflichtgefühl und nicht aus der Freude am Helfen. Du meidest andere Menschen. Anderen aus dem Weg zu gehen oder sie zu ignorieren sind Vermeidungstaktiken. Wenn du versuchst ein Problem zu umschiffen, verhindert das den Konflikt häufig nicht, sondern schiebt die Notwendigkeit gute Grenzen zu setzen nur auf. Fühlst du dich angesprochen? Ich bin davon überzeugt, dass jeder von uns bewusst Grenzen setzen und diese auch klar kommunizieren sollte. Gesunde Grenzen sehen für jeden anders aus. Dabei kommt es auf Persönlichkeit, Familienumstände, Zeit und vieles mehr an. Grenzen können außerdem in ganz verschiedenen Bereichen gezogen werden. Nedra Glover Tawwab schreibt in ihrem Buch „Set boundaries, find peace“ über die Bereiche Familie, romantische Beziehungen, Freundschaften, am Arbeitsplatz und über Social Media, dass Grenzen in jedem Bereich anders aussehen, aber überall wichtig sind. Vielleicht geht es dir jetzt wie mir vor einiger Zeit und du weißt gar nicht wo du anfangen sollst mit dem Grenzen ziehen. Oder du warst eigentlich der Überzeugung, dass du schon ganz gut dabei bist, aber die oben genannten Anzeichen haben trotzdem auf dich zugetroffen. Die Frage, die sich an diesem Punkt stellt, ist: Wie lassen sich gesunde Grenzen identifizieren? Grenzen identifizieren Dafür kannst du dir Zeit nehmen, es dir in einer ruhigen Ecke bequem machen und die unten genannten Fragen beantworten. Höre dabei auf deine Gefühle und deine Gedanken. Setze dir Prioritäten und beziehe auch andere Personen ein, die dir wichtig sind und dich gut kennen. Denke daran, dass du beim Kommunizieren der Grenzen klar und bestimmt und trotzdem freundlich sein kannst. Behalte im Hinterkopf, dass es zu deinem Besten ist und auch deine Beziehungen zu anderen auf ein neues Level hebt. Kümmere dich um deinen Garten. Du bist dafür verantwortlich. Wenn du gut damit umgehst, wird darin viel Schönes wachsen und die Pflanzen können Früchte tragen. Ist das nicht auch ein göttliches Prinzip? Wie sieht eine gesunde Beziehung in deinen Augen aus? Wenn du dir deine Antwort zur ersten Frage anschaust: Was sind deine wichtigsten Bedürfnisse in einer Beziehung? Gibt es eine Beziehung / Freundschaft, die toxisch oder schwierig (geworden) ist oder in der deine Bedürfnisse nicht respektiert werden? (Schau dir gern noch einmal die vier Anzeichen weiter oben im Text an.) Was für eine Grenze wäre in diesem Fall hilfreich? Schreibe die Grenze auf und überlege, wie du sie am besten kommunizieren kannst. Kommuniziere die Grenze und stehe zu deiner Entscheidung.

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Tristan Horx

Optimistisch in die Zukunft

Aktuell sieht man die Klamotten der 90er Jahre wieder auf den Straßen. Haben Sie als Zukunftsforscher diesen Trend vorhergesehen? In bin zwar kein Modeexperte, aber mit den 90ern ist es ein ewiger Kreislauf. Ich glaube, es ist jetzt schon das fünfte Mal, dass die wieder „in“ sind. Grundsätzlich ist es aber ganz normal, dass Modeerscheinungen immer wiederkommen. So gesehen, habe ich das vorausgesagt. Haben die Älteren dann recht, wenn sie sagen, dass es keine neuen Trends mehr gibt und stattdessen das Alte nur revivalt wird? So nach dem Motto, Omas Haferschleim heißt jetzt einfach Overnight Oats? Es ist eine Illusion zu glauben, dass in der Zukunft immer alles neu und anders sein muss. Viele Sachen existieren noch, weil sie einen Wert hatten. Meistens werden sie in Richtung Zukunft leicht abgewandelt. Ich garantiere, dass das, was die Großeltern als Haferschleim kennen, anders schmeckt als das, was man heutzutage als Porridge verkauft bekommt. Zukunft entsteht immer aus der Rekombination von Altem und Neuem. Ganz oft wollen wir aber nicht wahrhaben, dass das Alte auch etwas damit zu tun hat. Das ist eine falsche Erwartungshaltung der Zukunft gegenüber. Dann betrachten Sie als Zukunftsforscher also auch die Vergangenheit? Ja, maßgeblich sogar. Anders als bei Trends, die ich analysiere und die man als Gegenwartsphänomene problemlos belegen kann, wird die Zukunft anhand von Mustern bestimmt. Dabei hilft die Vergangenheit enorm, denn irgendwo her muss ich die Muster ja bekommen. Als Zukunftsforscher muss man sich mit der Vergangenheit ein bisschen auskennen, mit der Gegenwart sowieso und mit der Zukunft eigentlich am wenigsten. Das ist das Spannende. Je nachdem mit wem man spricht, könnte man aktuell das Gefühl bekommen der Weltuntergang ist nah. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft? Medial steht der Weltuntergang schon seit ich klein bin vor der Tür. Damals war die Angst, dass das Erdöl knapp wird, dann wurde gesagt, dass der nächste Weltkrieg ausbricht. Dann gab es die Sorge, dass wir alle vereinsamen, weil es so viele Single-Haushalte gab. Wir haben irgendwie schon alles durchgemacht. Wenn man jung ist, wirkt es wahrscheinlich echt so, als würde jeden Tag die Welt untergehen. Vor dem Krieg in der Ukraine ist die Welt wegen einer Pandemie untergegangen. Da sind wir dann wieder beim Thema Vergangenheit – vielleicht muss man sich aber vergegenwärtigen, dass 99 Prozent der Menschheitsgeschichte richtig beschissen waren. Gerade wir im Westen leben nach wie vor zum besten Zeitpunkt jemals. Und auch wenn sich das jetzt wie eine Trendwende anfühlt, in der Realität ist das nicht so. Wir sind alle zurecht sehr betroffen von diesem Krieg, aber man darf nicht vergessen, dass es an anderen Orten auf diesem Planeten seit eh und je so ist. Vielleicht bekommen wir gerade einfach eine Realitätsklatsche. Wir im Westen haben die Tendenz die Gegenwart aufzublähen, weil uns die Zukunft als gemeinsame Vision fehlt. Welche Entwicklungen könnte die aktuelle Weltlage denn in Zukunft lostreten? Reregionalisierung als Gegentrend zur Globalisierung wird ein Thema werden. Damit meine ich keine Nationalismen, dafür sind die jüngeren Generationen zu informiert aufgewachsene. Auf die Nation greift man nämlich nur dann zurück, wenn einem alle anderen Identitätsmöglichkeiten ausgehen, quasi als kleinsten gemeinsamen Nenner. Deshalb glaube ich nicht, dass der Nationalismus wiederkommt, aber gerade mit Blick auf die Wirtschaft, wird das Regionale an Bedeutung zurückgewinnen. Dann haben wir das ganze Thema Nachhaltigkeit. Aktuell merken wir, dass wir hier wenig Erdöl und Gas haben. Wir haben aber Sonne und Wind. Dieser Trend hat gerade einen deutlichen Boost bekommen. Und ein weiterer Punkt, der aktuell ein bisschen in den Hintergrund geraten ist, ist die neue Arbeitswelt. Man darf nicht vergessen, was sich da Unglaubliches getan hat. Aktuell wirkt die Frage nach Homeoffice ein bisschen kleinteilig, wenn ein Krieg ums Erdöl brennt. Aber das ist etwas, das uns im direkten Leben alle betrifft. Sie schreiben in ihrem Buch, dass Fridays for Future gewonnen hat. Was ist damit gemeint? Es gibt kein ernstzunehmendes Unternehmen mehr, dass sich nicht mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ beschäftigt. Vor einigen Jahren gab es noch genug Firmen, die dachten, sie können sich wegduckten unter dem nervigen Trend. Mittlerweile setzten sich sogar Unternehmen wie Shell ernsthaft damit auseinander. Vor nicht allzu langer Zeit drehte sich der Diskurs darum, ob das mit dem Klimawandel überhaupt stimmt. Das zweifelt heute keiner mehr an und die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie wir es anpacken. Deshalb haben die Ökos gewonnen - und mit Ökos meine ich die Wissenschaft. Es ist ein guter Anfang, dass wir da größtenteils eine gemeinsame Realität haben. Mit der Klimabewegung ist auch ein großer Generationenkonflikt sichtbar geworden. Ist der mittlerweile gelöst? Die Boomer waren die Bösen, was aber vergessen wurde ist, dass sie was Frauenrechte, Rechte für Homosexuelle und auch Ökologie angeht eigentlich sehr viel bewegt haben – auch wenn sie jetzt im Nachhinein ein bisschen spießig wirken. Aber die junge Generation wird auch irgendwann spießig erscheinen. So ist gesellschaftlicher Fortschritt und das ist völlig in Ordnung. Wenn man die Vergangenheit und die Lebensrealität der unterschiedlichen Generationen versteht, kann das auch zur Vereinigung führen. Gerade merken wir doch, wie all diese Konflikte belanglos werden. Vielleicht lässt uns das zusammenrücken. Was bedeutet das für das Thema „Individualismus“ – bleibt der Trend so dominant, oder bewegen wir uns durch die vielen Krisen wieder näher aufeinander zu?  Es ist ja kein Entweder-oder. Entweder wir sind alle rechte Nazis oder wir sind alle woke Individualisten, die ihre Shakes trinken und glutenintolerant sind. Die produktivsten Gesellschaften sind die, die verstehen, dass die Formel lautet: Gemeinsam verscheiden sein. Es geht um gewisse Grundwerte, auf die man sich einigen muss. Und dann darf man so individuell sein, wie man will. Wenn man eine völlig gleiche Gesellschaft hat, dann braucht man nur einen politischen Virus, um alle umzuhauen. Das passiert in einer heterogenen Gesellschaft nicht. Dafür gibt es halt mehr Streit und mehr Konflikte. Und wenn man mit diesem Spannungsfeld nicht umgehen kann, lässt man sich schnell von dem Denken locken: „Es wäre doch einfacher, alle wären wie ich“. Aber das ist nicht zukunftsfähig, weil es sehr unproduktiv ist.

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