"Frenemies"

Wenn aus Freundschaft Stress wird

Warum sind wir eigentlich befreundet? Wer darauf keine Antwort findet, hat es wohlmöglich eher mit einem Freundfeind zu tun.

Das Wort „frenemy“ ist ein Kunstwort, das sich aus den englischen Wörtern „friend“ und „enemy“, also Freund und Feind, zusammensetzt. Ursprünglich entstand der Begriff in den 1950ern, um die politische Beziehung zwischen den USA und Russland zu beschreiben. Er bezeichnete Menschen, denen gegenüber man zwar eine Abneigung verspürte, sich aber aufgrund der Umstände um ein freundschaftliches Miteinander bemühte, als Freundfeind.

Heutzutage werden allgemein Menschen als „frenemies“ bezeichnet, die zwar vorgeben Freunde zu sein, man sich ihrer Motive aber nie ganz sicher ist und die Freundschaft von einer gewissen Ambivalenz geprägt ist.

Purer Stress

Bei der Frage nach meinen „frenemies“ fiel mir eine Projektleiterin ein, mit der ich für eine gewisse Zeit arbeitete. Wir freundeten uns an, obgleich sich über die Zeit eine Dynamik entwickelte, die mich stresste. Ich wusste oft nicht, woran ich war. Manchmal betonte sie die freundschaftliche Augenhöhe zwischen uns, manchmal war sie die Vorgesetzte, die mir deutlich machte, dass sie das Sagen hatte. Manchmal lobte sich mich für eine gute Leistung und an einem anderen Tag gestand sie unter Tränen ihr Neid- und Konkurrenzgefühle mir gegenüber. Wir konnten einander durchaus tiefgründige Dinge erzählen, aber ich fühlte mich stets, als würde ich auf Eierschalen laufen. Als ich ihr eine Rückmeldung gab, fühlte sie sich angegriffen – unsere Beziehung zerbrach an einem kleinen Konflikt und ich verließ das Projekt.

Rückblickend kann ich mein Unwohlsein klarer benennen: Sie wollte meine Freundin sein, aber sah in mir eine Rivalin. Wenn eine echte Freundschaft eine Beziehung ist, in der ich „ich selbst“ sein darf, so ist eine „frenemy“ Beziehung purer innerer Stress, denn es fehlt die Gewissheit bezüglich der Freundschaft.

Nichts Halbes und nichts Ganzes

Diese fehlende Klarheit ist nicht nur anstrengend, sondern sie torpediert buchstäblich unsere Gesundheit. Der Psychologe Adam Grant sagt, dass „frenemies“ aufgrund ihrer Ambivalenz den größeren Stress auslösen als „echte Feinde“. Der ständige Wechsel zwischen positiven und negativen Gefühlen erhöht unseren Blutdruck und auch unser Nervensystem scheint es besser zu verkraften, wenn jemand einen gar nicht mag, als wenn man sich nie ganz sicher sein kann, ob das Gegenüber vertrauenswürdig ist. Wir sehnen uns nach Klarheit – denn dieses „nicht Halbes und nichts Ganzes“ ist für Vertrauen ein wackliger Untergrund.

Mir fielen die herausfordernden Worte Jesu ein, der sagt: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein sei ein Nein.“ (Matthäus 5,37). Jesus wollte Integrität und forderte Heuchelei, Zwielichtigkeit und Doppelmoral immer heraus. Es gibt ein „Liebet eure Feinde“ und ein „lasst euer Leben für eure Freunde“ Prinzip bei Jesus – ein Tolerieren von Falschheit finden wir nicht. Jesus unterstellte das Beste, aber wo ihm mit falschen Motiven begegnet wurde, appellierte er an die Klarheit und setzte Grenzen.

Daher will ich dich ermutigen: Fordere diese Klarheit nicht nur von anderen ein, sondern lege sie am Besten auch selbst an den Tag.

Franziska Klein ist Autorin, Pastorin und Beraterin und schreibt an dieser Stelle über die großen Fragen der  Freundschaft. Ihr Buch zum Thema ist im Fontis Verlag erschienen.

Franziska Klein

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Vorsicht, giftig!

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Vor allem, wenn du bisher jeden Konflikt gescheut hast. Lass dich nicht entmutigen, sondern bleibe zugewandt aber auch liebevoll dir selbst gegenüber. Setze klare Grenzen. Du bist auf einem guten Weg, denn du gibst damit deinem Gegenüber und eurer Beziehung die Chance, zu wachsen und zu reifen. In jeder Beziehung gibt es Krisen und Konflikte. Auch toxische Elemente wie Abhängigkeiten, Grenzüberschreitungen oder manipulatives Verhalten können vorkommen. Entscheidend ist, wie ihr dabei grundsätzlich miteinander umgeht. Nähe und Distanz, nehmen und geben, bestimmen und sich anpassen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen. Liebe kann sich da entwickeln, wo Freiheit und Zuwendung gleichermaßen vorhanden sind. Unterschiedlichkeiten könnt ihr als wertvolle Ergänzung schätzen lernen. Dazu braucht es eine gute, offene Kommunikation, die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen und vor allem, den eigenen Anteil am Problem anzuerkennen. Dann müssen aus Worten Taten werden. Wann ist es besser, sich zu trennen? Deine eigenen Themen anzugehen hat bleibenden Wert, unabhängig von der Paarbeziehung. Du lernst, besser für dich zu sorgen und bessere Beziehungen zu führen. Wenn dein Verhalten eher dem des „Täters“ entspricht, lernst du, die Perspektive deines Gegenübers besser zu verstehen und liebevoller zu handeln. Mit Hilfe deiner Gos und No-Gos weißt du, was du bereit bist, für den Erhalt deiner Beziehung auf dich zu nehmen und was nicht mehr. Denn es kann sein, dass dein Gegenüber trotz deiner Bemühungen in toxischen Mustern kleben bleibt, keine eigenen Schritte zur Veränderung geht und deine No-Gos ignoriert. Wenn sich abzeichnet, dass diese Beziehung für dich deshalb ein Ort des Schmerzes bleibt und Wertschätzung und Annahme fehlen, ist es ratsam, eine Trennung in Erwägung zu ziehen. Das gilt natürlich umso mehr, wenn körperliche Gewalt im Spiel ist.

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