Toxische Beziehung - gruseliger Totenkopf

Vorsicht, giftig!

Toxische Beziehungen sind in aller Munde, aber was genau passiert da eigentlich?

Katja bekommt das Grinsen nicht mehr aus ihrem Gesicht. Ben hat ihr Blumen geschenkt. Einfach so. „Du bist so wunderschön. Ich liebe dich. Du machst mich zum glücklichsten Mann“, hat er gesagt und sie angelächelt, dass ihr die Knie weich wurden. Zwanzig Minuten später hat sie einen dicken Kloß im Hals. Beim Spülen ist ihr Bens Kaffeebecher aus der Hand gerutscht und in tausend Teile zersprungen. „Wie dumm und idiotisch bist du eigentlich!? Du solltest am besten gar nichts machen, du hast einfach zwei linke Hände!“, ist dabei noch das Netteste, was aus seinem Mund kommt. Katja sagt kein Wort. Etwas zu entgegnen würde alles nur noch schlimmer machen. Sie fühlt sich dumm, klein und schuldig.

Sie entschuldigt sich immer wieder und nachdem sie besonders lieb und zuvorkommend mit Ben umgegangen ist, findet schließlich, wie so oft, im Bett die Versöhnung statt.

Täter und Opfer
Eine Beziehung sollte ein Raum sein, in dem sich zwei Menschen einander liebevoll zuwenden und gleichzeitig die Freiheit haben, sie selbst zu sein – mit ihren Ecken und Kanten. Wenn eine Beziehung jedoch mehr von Zwängen, Schmerz oder Einsamkeit als von dem Gefühl der Wertschätzung und des Angenommenseins geprägt ist, dann schadet sie mehr, als dass sie gut tut.

In manchen Beziehungen ist Kampf an der Tagesordnung – nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“. Das Gegenteil kann genauso toxisch sein. Es gibt keinen Streit, weil die Angst vor Verlust und Liebesentzug so groß ist, dass das Verhalten lieber angepasst wird, als die Harmonie zu gefährden.

Besonders toxisch ist das Täter-Opfer-Prinzip: Der „Täter“ wertet ab, handelt egozentrisch, empathielos oder manipulativ und trägt oft narzisstische Züge. Das „Opfer“ denkt und handelt abhängig vom Verhalten des Gegenübers. Man nennt das „co-abhängig“.

Das kann sich in einer Beziehung beispielsweise so anfühlen:

  • Ich erlebe eine emotionale Achterbahnfahrt. Hochs (in den Himmel gelobt werden, „Love-Bombing“) und Tiefs (Abwertung, Erniedrigungen) wechseln sich ab. Die schönen Momente werden immer weniger. Für die guten Momente ertrage ich die schmerzhaften. Ich glaube, wenn ich nur ganz doll liebe, werde ich auch zurück geliebt.
  • Ich glaube, ich kann mein Gegenüber retten, er oder sie braucht meine Hilfe, um Probleme zu überwinden.
  • Ich glaube, dass ich das Problem bin, weil ich nicht gut genug bin. Ich denke, ich muss mich ändern. Aus Angst vor Konflikten und dem Verlassenwerden nehme ich mich immer mehr zurück. Ich mache mein Verhalten abhängig vom Verhalten meines Gegenübers und nehme mich selbst nicht so wichtig.
  • Mein Gegenüber ist sehr schnell gekränkt.
  • Ich werde kontrolliert, zum Beispiel, ob und mit wem ich mich treffe oder wofür ich Geld ausgebe.
  • Ich werde ständig kritisiert und bin an allem schuld. Mein Gegenüber sieht sich immer als Opfer. Ich entschuldige mich für Dinge, die ich nicht getan habe. Ich bin gestresst, weil ich ständig Angst habe, etwas falsch zu machen.
  • Ich fühle mich abhängig von meinem Gegenüber und denke, ich kann ohne sie oder ihn nicht leben.
  • Meine Grenzen werden nicht respektiert und öfter überschritten.
  • Ich glaube, dass er oder sie sich dieses Mal wirklich ändern wird.
  • Ich werde manipuliert und die Realität wird verdreht, bis ich immer mehr an mir zweifle und schließlich selbst nicht mehr weiß, was wahr ist und was falsch ist („Gaslighting“).
  • Es findet, neben der seelischen auch körperliche Gewalt statt.

So schlimm ist das bei uns doch nicht …
… denkst du jetzt vielleicht. Natürlich ist jede Beziehung anders. Aber wo fängt denn nun das Toxische an? Jesus hat uns die beste Orientierungshilfe mitgegeben. Er sagte in Markus 12,31: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“

Die Liebe zu sich selbst meint einen liebevollen Umgang mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Grenzen. Eigenliebe und Nächstenliebe müssen in Balance stehen, um gute Beziehungen führen zu können: Selbstliebe ohne Nächstenliebe macht das Gegenüber zu einem ersetzbaren Objekt, das nur der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse dient. Liebe ohne Selbstliebe führt in die emotionale Abhängigkeit und zum Verlust der eigenen Identität.

Wenn du also dauerhaft (nicht punktuell!) egozentrisch oder selbstvergessen handelst, entsteht ein Ungleichgewicht. Hier fängt Toxizität an. Was kannst du selbst tun, um toxischem Verhalten entgegenzuwirken?

Erkennen
Vielleicht hast du in deiner Vergangenheit gelernt, dass Liebe an bestimmte Bedingungen geknüpft ist oder dass zur Liebe Schmerz dazu gehört. Du empfindest es deshalb als normal, dass mit dir so umgegangen wird. Das ist es aber nicht. Niemand hat das Recht, dich schlecht zu behandeln, dich herabzusetzen oder dir emotionale oder körperliche Gewalt zuzufügen!

Wenn du dein Gegenüber niedermachst oder manipulierst, um dein eigenes Selbstbewusstsein zu pushen und dir sicher bist, dass er oder sie dich nicht verlassen wird, dann ist dein Verhalten lieblos und egoistisch.

Ein liebevoller, wertschätzender Umgang ist in einer Paarbeziehung grundlegend, denn das ist der Ort, an dem wir uns besonders verletzlich machen.

Achtsamkeit
Um aus schädlichen Mustern herauszukommen, die dir bei der Liebe zu dir selbst im Wege stehen, spielt Achtsamkeit eine entscheidende Rolle. Das bedeutet, dir selbst auf die Spur zu kommen und immer wieder innezuhalten im Alltag: Was geht gerade in dir vor? Welche Gefühle sind da? Du kannst sie zum Beispiel in einem Gefühlstagebuch festhalten.

Jeder von uns schleppt falsche Glaubenssätze mit sich herum, die unser Denken und Handeln bestimmen. Sie lassen uns zum Beispiel glauben, dass wir nur geliebt werden, wenn wir etwas leisten. Oder dass wir uns nicht so anstellen sollen, weil es anderen ja viel schlechter geht oder dass wir zu nichts taugen. Ein erster Schritt, diesen schlechten Einfluss zu entmachten, ist, dir seiner bewusst zu werden. Indem die Glaubenssätze vom Unbewussten ins Bewusstsein treten, kannst du dein Verhalten aktiv verändern. Du bist ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert und darfst stattdessen liebevolle Gedanken kultivieren und die Wahrheit über dich selbst entdecken. So kann zum Beispiel aus „Ich bin nicht schlau“ ein „Ich bin schlau genug“ werden.

Selbstfürsorge
Dann kannst du dich fragen, welche Dinge tun dir gut und lassen dich auftanken? Erlaube dir, hierfür Zeit zu nehmen. Du lernst so, deine Bedürfnisse zu spüren und deren Erfüllung in die eigene Hand zu nehmen. Du übernimmst Verantwortung für dich selbst. Dazu gehört auch, darauf zu achten, welche Dinge oder Personen dir nicht guttun. Was löst in dir Stress oder „Bauchweh“ aus? Mach dir auch bewusst, was deine wichtigsten Werte und was deine NO-GOs in einer Beziehung sind. Du darfst freundlich aber klar NEIN sagen! Und du wirst erleben, dass Menschen dich trotzdem oder gerade deshalb mögen.

Kommunikation
Ich-Botschaften helfen dabei, klarer zu kommunizieren und können ein Weg aus Konflikt-Spiralen sein. Dabei sprichst du über dein Gefühl („Es macht mich traurig, dass wir fast nie Zeit zu zweit verbringen.“) anstatt den anderen anzuklagen („Immer gehst du weg. Ich bin dir doch egal!“). Es ist auch hilfreich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn je tiefer die toxische Verstrickung, desto ratsamer, den Weg nicht alleine zu gehen.

Eine gesunde Beziehung
Dein neues, ungewohntes Verhalten stößt beim Gegenüber vielleicht nicht auf Gegenliebe, denn euer altes „Spiel“, euer Muster, funktioniert nicht wie bisher. Veränderungen erfordern Mut und auch Disziplin. Vor allem, wenn du bisher jeden Konflikt gescheut hast. Lass dich nicht entmutigen, sondern bleibe zugewandt aber auch liebevoll dir selbst gegenüber. Setze klare Grenzen. Du bist auf einem guten Weg, denn du gibst damit deinem Gegenüber und eurer Beziehung die Chance, zu wachsen und zu reifen.

In jeder Beziehung gibt es Krisen und Konflikte. Auch toxische Elemente wie Abhängigkeiten, Grenzüberschreitungen oder manipulatives Verhalten können vorkommen. Entscheidend ist, wie ihr dabei grundsätzlich miteinander umgeht. Nähe und Distanz, nehmen und geben, bestimmen und sich anpassen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen. Liebe kann sich da entwickeln, wo Freiheit und Zuwendung gleichermaßen vorhanden sind. Unterschiedlichkeiten könnt ihr als wertvolle Ergänzung schätzen lernen. Dazu braucht es eine gute, offene Kommunikation, die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen und vor allem, den eigenen Anteil am Problem anzuerkennen. Dann müssen aus Worten Taten werden.

Wann ist es besser, sich zu trennen?
Deine eigenen Themen anzugehen hat bleibenden Wert, unabhängig von der Paarbeziehung. Du lernst, besser für dich zu sorgen und bessere Beziehungen zu führen. Wenn dein Verhalten eher dem des „Täters“ entspricht, lernst du, die Perspektive deines Gegenübers besser zu verstehen und liebevoller zu handeln.

Mit Hilfe deiner Gos und No-Gos weißt du, was du bereit bist, für den Erhalt deiner Beziehung auf dich zu nehmen und was nicht mehr. Denn es kann sein, dass dein Gegenüber trotz deiner Bemühungen in toxischen Mustern kleben bleibt, keine eigenen Schritte zur Veränderung geht und deine No-Gos ignoriert.

Wenn sich abzeichnet, dass diese Beziehung für dich deshalb ein Ort des Schmerzes bleibt und Wertschätzung und Annahme fehlen, ist es ratsam, eine Trennung in Erwägung zu ziehen. Das gilt natürlich umso mehr, wenn körperliche Gewalt im Spiel ist.

Bleibe nicht allein!

Wenn es dir in deiner Beziehung schlecht geht, sprich mit einer Person deines Vertrauens oder wende dich an eine Seelsorgerin, einen Berater oder Therapeuten. Auch die Telefonseelsorge kann eine gute erste Anlaufstelle sein (D 0800/111 0 111, CH 413, AT 142).

Medientipps:

  • „Das Kind in dir muss Heimat finden. Das Arbeitsbuch“ von Stefanie Stahl
  • „Psychologie der Liebe“ von Jürg Willi
  • Folge 5 „Toxische Beziehungen und Narzissmus“ im PodcastHello Lovers“

Christina Glasow

Christina Glasow wohnt mit ihrer Familie in Pulheim bei Köln und arbeitet als Paarberaterin und psychologische Beraterin.

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Männliche Hebamme Tobias

#malemidwife

Tobias, du bist eine männliche Hebamme. Ist das die korrekte Bezeichnung? Ja, seit diesem Jahr ist die offizielle Bezeichnung Hebamme. Vorher hieß es Entbindungspfleger, das steht auch auf meiner Ausbildungsurkunde. Ende letzten Jahres wurde dann das Hebammengesetz reformiert. Neben der geänderten Berufsbezeichnung studieren angehende Hebammen jetzt fast ausschließlich. Der Begriff hat ja einen weiblichen Ursprung - er leitet sich von der Großmutter, die das Neugeborene aufhebt, ab. Genau, es kommt von der Großmutter oder Ahnin, die das Kind aufhält und damit in diese Welt begleitet. Als Berufsbezeichnung ist das heute aber geschlechterneutral. Also kannst du dich trotzdem mit der Bezeichnung identifizieren? Besser als mit dem Entbindungspfleger, denn da wusste einfach niemand was wir machen. Ich wurde ständig gefragt, ob ich auch bei der Geburt dabei bin. Seit ich Hebamme sage, gab es da keine Missverständnisse mehr. Warum hast du dich für den Beruf entschieden? Ich bin durch meine Mama auf den Beruf gekommen. Die ist schon ganz lange Hebamme und ich bin damit großgeworden. Ich wusste schon früh, was es heißt Schichtdienst zu haben oder auch an den Feiertagen arbeiten zu müssen. Vor dem Berufswahlpraktikum in der Schule hatte ich mich schon viel mit dem Beruf auseinandergesetzt und wollte mir das gerne mal anschauen. Leider ging das nicht bei mir in der Gegend und so habe ich mir den Job des Gesundheits- und Krankenpflegers angeschaut. Das war aber nicht so mein Ding. Mit 15 bin ich dann nach Berlin gefahren und habe meine ersten Praktika in dem Krankenhaus gemacht, in dem ich heute arbeite. Da habe ich den Beruf kennengelernt, mit allem, was dazugehört. Danach war mir klar, dass ich das machen wollte. Was ist denn das Highlight in deinem Beruf? Aktiv dabei zu sein, die Geburt zu begleiten und die Frauen zu unterstützen. Paare ins Elternwerden zu begleiten - das ist, warum ich Hebamme geworden bin. Wie viele Geburten hast du denn bisher begleitet? 352 Mit welchen Klischees bist du in einem Beruf, in dem fast ausschließlich Frauen arbeiten, konfrontiert? Was mir immer wieder begegnet, ist die Aussage, dass ich das als Mann nicht nachempfinden kann, weil ich nicht weiß, wie sich Wehenschmerzen anfühlen. Es ist mir auch schon passiert, dass man mich auf Social Media beleidigt hat. Was mir auch manchmal begegnet, ist die Angst, dass Männer jetzt auch noch den letzten „weiblichen“ Beruf erobern würden. Wie gehst du damit um? Als ich 2015 mit der Hebammerei angefangen habe, habe ich mich oft in Diskussionen wiedergefunden. Das ist aber mit den Jahren weniger geworden. Klar, wenn ich was auf Instagram poste, dann entbrennt in den Kommentaren öfter mal eine Diskussion. Es gibt Frauen, die schreiben dann, dass sie sich auf gar keinen Fall von mir betreuen lassen würden oder Kolleginnen, die nicht wollen, dass Männer sich vordrängeln und den Beruf an sich reißen. Bei zehn männlichen Hebammen in ganz Deutschland wird das allerdings ein langer Weg. Ich glaube, man muss da einfach schlagfertig reagieren. Ich habe echt viele tolle Hebammen kennengelernt, aber auch einige, wo ich dachte: Bei der würde ich kein Kind bekommen wollen, wenn ich eine Frau wäre. Aber wir sind ein so kleiner Berufstand – es gibt eigentlich ganz andere Themen, die wir gemeinsam angehen sollten, statt uns gegenseitig fertig zu machen. Was sagst du zu dem Argument, dass du als Mann gar nicht nachempfinden kannst, wie es ist ein Kind zur Welt zu bringen? Bei einer Herz-OP hilft es dir ja auch nicht, wenn der Chirurg selbst einen Herzschrittmacher hat. Expertise im medizinischen Bereich ist nicht unbedingt auf persönliche Erfahrung zurückzuführen. Die braucht man auch gar nicht, um eine gute Arbeit zu machen. Wir müssen vor allem empathisch gegenüber den Frauen sein und uns versuchen so gut es geht in sie hineinzuversetzen. Mein Job ist es, das bestmögliche für die Paare rauszuholen und das ist unabhängig vom Chromosomensatz. Wer eine gute Hebamme ist und wer nicht, lässt sich nicht am Geschlecht festmachen. Welche Fähigkeiten braucht eine gute Hebamme denn, abgesehen von Einfühlungsvermögen? Geduld. Außerdem sollte man relaxed sein und die Frauen nicht unter Druck setzten. In der Geburtshilfe gibt es immer viele neue und interessante Sachen – da ist Wissensdurst auf jeden Fall hilfreich. Wie sind die Reaktionen der werdenden Eltern? Überwiegend positiv. Ganz selten haben Menschen damit ein Problem, dass ich ein Mann bin. Ich bekomme oft Dankeskarten, in denen die Mütter schreiben, dass sich ihre anfänglichen Bedenken als unbegründet rausgestellt haben und sie mir dankbar sind. Ich finde das total schön, weil die Frauen ganz ehrlich sagen, dass sie Vorurteile hatten, die aber danach ablegen konnten. Solche Geschichten zeigen aber auch, dass wir Menschen sehr schnell vorverurteilen oder uns eine Meinung über etwas bilden, was wir gar nicht kennen. Wie war das mit deinen Kolleginnen, mit denen du täglich arbeitest? Ich habe ein tolles Team, mit dem ich gerne zusammenarbeite. Manche davon waren anfangs ein bisschen skeptisch und wir mussten uns erst aneinander gewöhnen. Manchmal passiert es mir heute noch, dass ich von Kolleginnen gefragt werde, ob ich denn überhaupt allein eine Frau untersuchen oder eine Geburt begleiten darf. Dabei mache ich das ja schon seit zwei Jahren. Ich hatte mal eine Kollegin, die total dagegen war, dass ich als Mann in diesem Beruf arbeite. Sie hat das ganz klar gezeigt und auch so gesagt. Bis vor einem Monat hatte ich noch einen männlichen Kollegen, der das auch zu spüren bekommen hat. Und das, obwohl es in anderen Ländern schon relativ normal ist, dass Männer in diesem Beruf arbeiten. Ja in Italien, Frankreich, den Niederlanden oder Belgien ist das schon deutlich verbreiteter als in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Aber man muss auch sagen, dass sich da in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen hat. Als ich mich 2015 beworben habe, gab es außer mir keinen anderen Mann, der sich in Deutschland beworben hat. In den letzten Jahren hat sich das Schritt für Schritt verändert. Nicht rasant, aber da tut sich etwas. War es easy einen Ausbildungsplatz zu finden? Ich habe damals über 40 Bewerbungen geschrieben, hatte sieben Einladungen, fünf Bewerbungsgespräche und nur eine direkte Zusage. Was bräuchte es, damit der Job auch für Männer interessanter wird? Ich glaube, es wurde nie sehr viel Werbung für den Beruf der Hebamme gemacht. In der Öffentlichkeit war stattdessen viel Negatives zu hören – man verdient schlecht, arbeitet viel, schiebt Wochenendschichten. Die negativen Seiten gibt es natürlich, wenn man die aber so überbetont, ist es klar, dass sich niemand für den Beruf interessiert. Ich höre außerdem öfter, dass es gerade für Männer ein uninteressanter Job ist, weil man in dem Beruf so wenig Geld verdient. Da spielt dann noch ein anderes Klischee eine Rolle. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass eine Berufseignung für den Job viel wichtiger ist als das Geschlecht. Nutzt du deinen Instagram-Account zur Aufklärung? Hauptsächlich geht es auf Insta natürlich um meinen Beruf. Vielleicht sieht der ein oder andere dadurch, dass ich genau die gleichen Sachen mache, wie meine Kolleginnen. Ich habe ganz normale Wochenbettbesuche, gebe Vorbereitungskurse und gehe im Kreissaal meiner Arbeit nach. Was bedeutet der #malemidwife für dich? Es ist das internationale Pendant zum #männlichehebamme. Ich find das ganz gut, um den Blick über den Tellerrand zu heben und zu sehen, dass es in anderen Ländern schon ganz normal ist als Mann in dem Job zu arbeiten.

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Studierende gegen Blutkrebs

Medizinstudium – das bedeutet lange Abende in der Bibliothek, harte Prüfungen, wenig Freizeit. Zeit für ehrenamtliches Engagement bleibt da nicht. Oder doch? Eine, die ganz anderer Meinung ist, ist Anna Haag. Die Studentin engagiert sich seit zwei Jahren bei „AIAS – Studierende gegen Blutkrebs e.V.“ und leitet gemeinsam mit einer Kommilitonin die Leipziger Ortsgruppe. Hilfe, Papierkram! Als sie nach ihrem ersten Staatsexamen zum ersten Mal von dem Verein und seiner Arbeit hörte, war sie sofort Feuer und Flamme. AIAS klärt Studierende in ganz Deutschland über die Stammzellspende auf und motiviert sie, sich registrieren zu lassen. Außerdem hilft der Verein dabei, alle Unterlagen für die Registrierung auszufüllen und die benötigte Speichelprobe abzugeben. Anna wird besonders von den persönlichen Schicksalen der Betroffenen angetrieben. Sie sagt: „Mir ist bewusst, dass ich nicht jedem Menschen helfen kann, aber ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass Leben gerettet werden.“ Vor einem Jahr traf sie eine Frau, die durch eine Stammzelltransplantation von Blutkrebs geheilt wurde. „Aus erster Hand zu erfahren, was unsere Arbeit bewirken kann, war wundervoll und sehr motivierend“, erinnert sie sich. Generationensache Blutkrebs ist eine Krankheit, die jeden treffen kann. Bestimmte Formen sind heilbar – eben durch eine Stammzellspende: „Wir können mehr Spender*innen finden, wenn mehr Menschen registriert sind. Das ist eine einfache statistische Rechnung“. Deshalb ist für Anna gerade die Registrierung junger Menschen so wichtig, die danach lange Zeit in der Datei bleiben und so mit höherer Wahrscheinlichkeit auch zu Spendern werden können. Anna schätzt ihren Einsatz für AIAS jedoch nicht nur, weil sie damit anderen Menschen helfen kann. Auch sie selbst hat die Arbeit verändert: „Durch mein Engagement habe ich gelernt, Menschen besser zuzuhören. Mir die Erzählungen Betroffener anzuhören und sensibel dafür zu sein, welche Fragen ich stellen kann, ohne jemandem auf die Füße zu treten. Wenn man sich mit dem Herzen für eine gute Sache einsetzen kann, dann wird man offener, kommunikativer und lernt, was wichtig ist im Leben und wo man einmal hinmöchten“.

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