Tobi und Arne sind Freunde. Sie haben sich im Studium kennengelernt und sind nach zwei Semestern zusammen in eine WG gezogen. Sie philosophieren beide gern über Gott und die Welt und haben eine musikalisch-künstlerische Seite.
Es vergehen einige Wochen anfänglicher Harmonie, als Tobi auffällt, dass Arne eine andere Vorstellung von Sauberkeit hat als er. Arne sieht den Dreck scheinbar später oder gar nicht, kann vor sich hin gammelndes, schmutziges Geschirr tolerieren, bis es keine sauberen Teller mehr im Schrank gibt und scheint davon auszugehen, dass sich das Bad von selbst reinigt.
Störfaktor Sauberkeit
Wegen Putzplänen hat sich schon so manche WG zerstritten, aber Tobi findet eine gute Art, es anzusprechen und Arne lässt sich bereitwillig auf einen Putzplan ein, auch wenn Tobi ihn doch immer wieder daran erinnern muss.
Es bleibt aber nicht beim Putzplan. Arne bedient sich an Tobis Lebensmitteln, was ursprünglich von Tobi mit einem „Klar, bediene dich“ auch so kommuniziert worden war. Doch als Tobi einmal abends nach dem Sport ein Salamibrot essen will, hatte Arne die Salami bereits leergemacht und keine nachgekauft.
Tobi merkt zunehmend, dass ihm Dinge an Arne auffallen, die ihn stören. Er findet, dass Arne sich gegenüber Tobis Freundin uncool verhält, wenn diese zu Besuch kommt. Ihn nervt, dass Arne an der Haustür klingelt, nur weil er zu faul ist, den Schlüssel aus seinem Rucksack zu kramen. Und er fühlt sich ausgenutzt, wenn Arne die Aufgaben für das Studium von ihm abschreiben will. Aus der anfänglichen Sympathie wächst zuerst ein Genervt-Sein, dann zunehmend Abneigung, bis Tobi den Eindruck hat, dass ihn alles an Arne stört.
Rollenkonflikt vorprogrammiert
Tobi muss sich eingestehen, dass er irgendwann aufgehört hat, Arne als Freund zu vertrauen und als Mitbewohner zu respektieren. Wann wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, anzusprechen, was ihn stört?
Er hatte es ja mit dem Putzplan begonnen, was so semi-erfolgreich gewesen ist. Tobi kommt sich aber albern vor, dann das mit der Salami, die Freundin-Beobachtung, die Klingel-Sache und die Studiums-Situation anzusprechen. Das wäre doch auch kleinlich. Daher hört Tobi nach der Putzplan-Anmerkung auf zu sagen, was ihn stört, doch in ihm verwandelt sich der Hügel kleiner Störfaktoren in einen Berg aus Verachtung. Tobi will etwas ändern und fragt mich, wie er weitermachen soll: „Soll ich alles sagen, was mich stört?“ „Die Frage ist, was ist dein Ziel – willst du dir all deinen Frust von der Seele reden? Oder willst du ein gutes Miteinander in der WG? Und die Freundschaft zu Arne?“, antworte ich.
Im Gespräch muss er erkennen, dass eine Freundschaft keine Vorrausetzung für ein harmonisches WG-Leben ist. Die Erwartungen an einen WG-Mitbewohner sind anders als an einen Freund, und Sympathie und Sauberkeit gehen nicht zwangsläufig Hand in Hand, sodass Rollenkonflikte oftmals vorprogrammiert sind. Klare Absprachen für das gemeinsame Wohnen können die Freundschaftsebene entlasten.
WG - Wachstum und Grenzen
Menschen sind unterschiedlich in ihren Bedürfnissen und Werten. Je näher wir einer Person sind, desto mehr Reibungsflächen ergeben sich – automatisch. Zum einen lädt das ein, aneinander zu wachsen und zu lernen, aber man stößt auch an Grenzen, wenn man merkt, dass man manche Dinge nicht unterstützen kann und will.
Bei Arne und Tobi haben sich Rollen verfestigt, sodass Tobi in der Position des ewigen Kritikers gelandet ist und sich ein Ungleichgewicht in der Freundschaft ausbreitete. Tobi merkte, dass er die Freundschaft zu Arne nicht mehr wollte und ihn die WG-Situation belastete. Er zog aus, ohne Arne zu sagen, was ihn alles störte.
Was hättest Du gemacht?