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Alexandra Baier

„Mein Leben auf den Kopf gestellt!“

Ein Brief an Philipp Mickenbecker
Alexandra war eine von Philipp Mickenbeckers engsten Wegbegleiterinnen. Die Freundschaft mit dem YouTuber hat sie herausgefordert, inspiriert und tiefe Spuren in ihrem Leben hinterlassen.

Lieber Philipp,

ich erinnere mich noch an das allererste Mal, als wir uns gesehen haben – eigentlich auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar. Ich wusste nicht mal, dass ihr YouTube macht, das habt ihr erst einige Treffen später beiläufig erwähnt. Nach dem ersten Abend bin ich einfach deiner Einladung gefolgt, mal bei einer eurer verrückten Aktionen dabei zu sein. Das hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt!

Ich konnte es von da an kaum erwarten, Feierabend oder Wochenende zu haben und zu euch zu fahren. Du hattest diese besondere Art an dir, jeden willkommen zu heißen. Ihr habt mich so schnell in eure Freundesgruppe mit aufgenommen, und ich hatte damit einen Ort gefunden, an dem ich einfach sein konnte, wie ich war. Ich habe es geliebt, mit euch so viel Zeit draußen zu verbringen, und fand es spannend, neue Sachen zu lernen. Und wenn mir langweilig war, wusste ich, dass ich jederzeit dazukommen kann, egal, wo ihr gerade wart oder was ihr gemacht habt.

Wir haben unzählige Abenteuer zusammen erlebt, angefangen mit ständigem Baden in Seen, egal, zu welcher Tages- oder Jahreszeit, gefolgt von Klippenspringen, Fahrradtouren, Erdbeerenpflücken, Lagerfeuern, Schlammschlachten, Spieleabenden, Kanufahren und natürlich dem Bauen der verrücktesten Gefährte, des Tiny House und meines absoluten Herzensprojekts: unser geliebtes Baumhaus. Unzählige Nächte haben wir dort verbracht, dem Knarzen der Bäume gelauscht, den Sternenhimmel beobachtet und tiefgründige Gespräche geführt.

Wie im Film

Es kommt mir vor wie ein Film, wenn ich an diese unbeschwerten Zeiten denke. Wir haben ständig neue, magische, aber auch unglaublich witzige Erinnerungen geschaffen. Du hast mir beigebracht, nicht so viel nachzudenken, sondern einfach mal zu machen. „Ich kann das nicht“ wurde schlichtweg nicht als Ausrede akzeptiert, und ihr habt mir mit viel Geduld beigebracht, wie ich euch bei euren Projekten handwerklich unterstützen konnte: Bretter zusammenschrauben, Bagger fahren, Holz hacken und Aufnahmen machen.

Ich denke auch unglaublich gerne an all die Sommernächte zurück, in denen wir unter freiem Himmel geschlafen haben, um nachts den Mond zu beobachten und frühmorgens den Sonnenaufgang zu sehen. Es hat nicht lange gedauert, bis ich meine Hemmungen abgelegt hatte und ohne groß nachzudenken mit euch Jungs bei jeder Gelegenheit ins eiskalte Wasser gesprungen bin, auch wenn mir danach die Zähne geklappert haben. Wir haben uns durch solche Aktionen unfassbar lebendig und frei gefühlt. Ihr habt euch für die verrücktesten Ideen begeistern können – und das ist ansteckend! Wer baut schon eine Achterbahn im Hornbach oder ein Tiny House in 48 Stunden? Wir. Zusammen mit dem Freundeskreis, den wir aufgebaut haben.

Grenzen durchbrochen

Du hattest ein Talent dafür, Menschen zusammenzubringen. Und auch dafür, spontan Reisen zu buchen und mich trotz Unistress zum Mitkommen zu überreden. Wie oft hast du zu mir gesagt, dass ich die Prüfung wiederholen könnte, die Reise mit euch aber nicht. Wie oft haben meine Kommilitonen und Kommilitoninnen gesagt: „Alex, du spinnst!“, weil ich kurz vor den Prüfungen doch noch spontan mit euch mitgekommen bin? Ich bin unfassbar froh, dass ich keine dieser Reisen verpasst habe, und dankbar für jeden Tag, den wir gemeinsam verbringen durften. Mein überorganisiertes Ich kam allerdings manchmal nicht ganz so gut damit zurecht, wie du diese Reisen geplant hast. Abgesehen davon, den Flug zu buchen, nämlich oft einfach gar nicht. Oder wie oft haben wir erst einen Tag vor Abreise einen alten Bus umgebaut, damit wir darin übernachten können?

Aber ich muss ehrlicherweise zugeben: Das hat es auch besonders aufregend gemacht, meine Grenzen durchbrochen und auch ganz schön auf mich abgefärbt. Wir sind meistens einfach losgefahren und haben geschaut, wie weit wir kommen. Die Reise war unser Ziel. Ein anderes Mal hast du für uns entschieden, dass wir alle unsere Handys zu Hause lassen. Ich hatte kein Problem damit, ein paar Tage nicht erreichbar zu sein, habe aber innerlich fast eine Krise bekommen, dass nicht mal ein einziges Handy im Flugmodus erlaubt war, obwohl wir mitten in die eiskalte Pampa gefahren sind – was, wenn wir einen Notfall hätten und jemanden erreichen müssten?

„Darum kümmern wir uns, wenn es so weit kommen sollte. Vielleicht machst du dir unnötige Sorgen, die du dir im Nachhinein hättest sparen können“, war deine Antwort. Und du hattest so recht. Es war so einfach, mit wenig zurechtzukommen. Daraus habe ich gelernt, dass man oft nicht für alle möglichen Fälle vorbereitet sein muss, sondern auch einfach mal improvisieren darf. Das Problem ist nur so groß, wie man ihm erlaubt zu sein. Wir konnten richtig abschalten und uns auf das konzentrieren, was wirklich wichtig war: unsere gemeinsame Zeit.

Immer in Action

Das kann ich gerade der jüngeren Generation empfehlen auszuprobieren: eine Reise mal nicht auf Social Media zu teilen, einfach für sich zu sein und die Erinnerungen nur mit den eigenen Augen festzuhalten, anstatt durch eine Kamera zu schauen. Ich bin dankbar, dass darauf nie der Fokus lag.

Obwohl wir in vielen Dingen so unterschiedlich waren, glaube ich, dass unsere Freundschaft von der Ehrlichkeit und dem Vertrauen gelebt hat, die wir uns gegenseitig geschenkt haben. Ich erinnere mich gerne an unseren endlosen Gespräche - was bringt einen mehr dazu, zu wachsen und die eigenen Ansichten zu hinterfragen, als mit einem der besten Freunde darüber zu diskutieren und zu philosophieren, der ganz anders darüber denkt? Wenn man sich immer nur die Meinungen von Menschen anhört, die mit der eigenen übereinstimmen, hört man auf, sich weiterzuentwickeln.

Als es dir immer schlechter ging, war es schmerzhaft mitanzusehen, dass du bei vielen der Aktivitäten, die uns so sehr miteinander verbunden haben, nicht mehr dabei sein konntest und dein Körper dich gezwungen hat, zuzuschauen. Aber es wurde trotzdem nie langweilig mit dir, selbst im Endstadium hast du noch die ein oder andere verrückte Aktion gestartet und wurdest beispielsweise in der Dominikanischen Republik von Kriminellen erpresst. Wie du das wieder geschafft hast? Danach hast du fröhlich erzählt, dass leider nicht mal die „Ich habe Krebs“-Nummer gezogen hat, um da wieder rauszukommen.

Begrenzte Zeit

In den letzten Wochen vor deinem Tod hat sich unsere Freundschaft noch mal ganz schön verändert. Ich bin bei euch eingezogen, weil ich mir Sorgen gemacht habe, dass du allein sein könntest, wenn du auf Hilfe angewiesen bist. Zusammen mit Lilia habe ich deine Wunde versorgt, dich bei all den schweren Gesprächen mit dem Palliativteam begleitet, aber vor allem mitangesehen, wie du selbst in deinen schwächsten Momenten nicht deine Lebensfreude verloren hast.

Ich werde auch nicht vergessen, dass du, selbst als ich dir mit einer Pinzette die Maden entfernt habe, die sich in deine Wunde gesetzt hatten, noch für Witze zu haben warst und lachend gesagt hast: „Alex, ich glaube so tief hat mir noch nie jemand in mein Innerstes geschaut!“ Wie tapfer kann ein Mensch sein? Und du hattest wirklich bis zur letzten Sekunde ein Lächeln auf deinen Lippen. Ich könnte das nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Du wurdest mal gefragt, wie es ist, zu wissen, dass man jeden Tag sterben könnte. Deine Antwort darauf war: „Das Gleiche könnte ich dich auch fragen.“ Und so ist es. Das Leben könnte für jeden jederzeit vorbei sein. Deine Erkrankung hat mir bewusst vor Augen geführt, wie kostbar unsere begrenzte Zeit auf dieser Erde ist und wie wertvoll tiefe Freundschaften sind. Und wie wichtig es ist, den Menschen, die wir lieben, die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdient haben. Man verliert kostbare Lebenszeit, wenn man Angst hat, sich ärgert oder über Dinge jammert, die man nicht ändern kann. Das rufe ich mir immer wieder in Erinnerung.

„Dein Licht leuchtet“

Es ist unbegreiflich, wie vielen Menschen du mit deiner Geschichte und deiner positiven Art Mut und Kraft gegeben hast und eine Inspiration gewesen bist. Wie viele sich von dir gern eine Scheibe abschneiden würden, mich inbegriffen: dein unfassbares Durchhaltevermögen. Nicht aufzugeben, bis zur letzten Sekunde nicht. Die Hoffnung, dass alles noch gut werden könnte, auch wenn alles dagegen spricht. Deine Tapferkeit. Einen Schritt nach dem anderen zu setzen. Du hast mich stark gemacht und wirst mir mein Leben lang ein Vorbild bleiben. Du hinterlässt ein Licht auf dieser Welt, das noch lange nach deinem Tod leuchten wird. Und was du auch hinterlässt, ist unsere Freundesgruppe. Wir sind noch fester zusammengewachsen, du wärst stolz, wenn du das sehen könntest.

Und wer weiß, vielleicht schaust du auch von oben auf uns herab. Dann hättest du gesehen, dass du die schönste Beerdigung bekommen hast, die wir uns hätten vorstellen können. Dass wir danach in alter Tradition zusammen in unserem geliebten Erlensee baden waren und in Gedanken an dich gelacht haben. Und vielleicht hast du sogar dabei zugeschaut, wie die kleine Selah das Licht der Welt erblickt hat oder wie Julius und Daniel ihre von dir übertragene Aufgabe als echte Real Life Guys ernst nehmen und mir das Gabelstaplerfahren beigebracht haben.

Du warst eine Bereicherung für mein Leben.

Deine Alex

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch "Unsere Real Life Stories", erschienen im Adeo Verlag. Weitere Infos unter www.adeo-verlag.de/unsere-rel-life-stories

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