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Im Glauben versagt: Scheitert Gott an meinem Scheitern?

Im Glauben versagt?

Scheitert Gott an meinem Scheitern?
Als Christen und Sünder verfehlen wir quasi täglich das Ziel eines vollkommenen Lebensstils. Kann Gott damit umgehen oder ist auch bei ihm irgendwann Schluss mit der Geduld?

Wer Christ ist, hat Frieden damit gefunden, dass Scheitern an jedem Tag dazugehört. Zum Beispiel an den eigenen Ansprüchen, alles gut zu machen im Job, in Freundschaften, im Glauben. Schon das bescheidene Vorhaben, ein fairer und freundlicher Verkehrsteilnehmer zu sein, geht im Alltagsstress schnell unter. Zwischen dem leisen Singen eines Psalms und dem lauten Fluchen über den asozialen Tesla-Fahrer liegen manchmal nur Hundertstelsekunden.

Damit will ich nicht sagen, dass wir es nicht versuchen sollten: Der Wunsch, positiv auszustrahlen, Gottes Liebe zu leben, sich an seinem guten Willen zu orientieren, ist ja vollkommen in Ordnung. Darin liegt unsere Bestimmung. Doch wenn wir unseren Glauben auf unserer ganzheitlichen Nachfolge Jesu gründen, haben wir von vornherein verloren. Noch nicht einmal deshalb, weil wir schon im Straßenverkehr damit scheitern. Sondern vor allem, weil wir dann nie an Jesus geglaubt haben, sondern nur an uns selbst.

 

"Jeder bindet irgendeinen Bindestrich an seinen Glauben, wenn es nicht so läuft wie erwartet."

Scheitern ist alternativlos

Wenn unser Glaubensanspruch an der Wirklichkeit zerbricht, gibt es drei Reaktionsmöglichkeiten. Die Fitness-Christen beißen die Zähne zusammen und strengen sich noch mehr an. Von nichts kommt nichts, schon gar kein göttlicher Segen. Die Luxus-Christen fahren ihre Ansprüche runter und versuchen, eine ironische Distanz zu der ganzen Geschichte zu gewinnen. Ein bisschen Spiritualität tut gut, aber nicht zu extrem werden. Die Ex-Christen steigen aus und suchen sich was anderes. Das sind natürlich nur grobe Karikaturen. Aber jeder tendiert doch zu einer der drei Reaktionen, die in unterschiedlichen Phasen des Lebens vielleicht auch variieren oder sich mischen können. Jeder bindet irgendeinen Bindestrich an seinen Glauben, wenn es nicht so läuft wie erwartet.

Der Glaube an Jesus kennt aber keine Bindestriche. Er bietet noch nicht einmal einen Ausweg aus den verschiedenen Szenarien des Scheiterns. Er kennt keinen vierten Weg. Wer an Jesus glaubt, wird zwar keinen Frieden mit seinem eigenem Scheitern und den Schattenseiten des Lebens schließen. Es ist und bleibt nicht gut, dass wir Tesla-Fahrer anschreien. Es ist und bleibt nicht gut, dass diese Welt voller Ungerechtigkeiten ist, die uns an Gott zweifeln lassen. Dass immer wieder die Falschen das Sagen haben, dass Ehen scheitern, dass wir voller Unglaube sind und an allen Fronten darum kämpfen, selbst gut dazustehen.

 

"Der christliche Glaube beinhaltet sein eigenes Scheitern."

Aber: Wer an Jesus glaubt, für den sind die Schattenseiten seines eigenen Lebens und seines eigenen Glaubens nicht länger lebenswichtig. Er muss seine Hoffnung nicht länger auf sich selbst setzen, noch nicht mal auf seinen eigenen Glauben. Der christliche Glaube ist deshalb keine Exit-Strategie aus unserem Leben, aus unserem Mensch-Sein, das von unserem Scheitern durchzogen ist. Auf den Punkt gebracht: Der christliche Glaube beinhaltet sein eigenes Scheitern.

Gott kann mit unserem Versagen umgehen

Das heißt aber nicht, dass Scheitern was ganz Tolles ist. Jesus steht auch dafür, dass Gott keinen Frieden mit unserem Scheitern macht. Scheitern an Gottes guten Willen ist zerstörerisch, es zersetzt unsere vertrauten Beziehungen (mit Gott ebenso wie mit unseren Mitmenschen), es macht uns einsam und führt in die absolute Beziehungslosigkeit, unseren Tod. Gott schaut nicht über unser Scheitern und seine tödlichen Folgen hinweg. Er trägt sie selbst am Kreuz.

 

"Unser Scheitern hat nicht das letzte Wort, weil Jesus es für uns durchlebt und entmachtet."

Doch genauso steht Jesus dafür, dass Gott nicht an unserem Scheitern scheitert. Er kann mit unserem Scheitern umgehen. Er kann dahin gehen, wo es wehtut. Er kann sich in die Niedrigkeit unseres Lebens begeben, in unser Scheitern. Er ist der Einzige, der das tun kann, ohne in den bösen Strudel mit hineingezogen zu werden. Gott bleibt sich treu in seiner gerechten Liebe, und deshalb kann er für uns durch den Tod hindurchgehen und am Ostermorgen auferstehen. Unser Scheitern hat nicht das letzte Wort, weil Jesus es für uns durchlebt und entmachtet.

Er hat es für uns getan. Deshalb dürfen wir Frieden damit haben, dass wir jeden Tag scheitern. Es gehört zu uns, weil wir Sünder sind. Aber es hat seine endgültige Macht über uns verloren. Deshalb hat Martin Luther einmal zu seinem zögerlichen und zweifelnden Freund Philipp Melanchthon gesagt: „Sündige tapfer!“ Deine Beziehung zu Gott, dein Leben hängt nicht daran. „Und glaube noch tapferer!“ Daran, dass Jesus nicht an dir scheitert.

Transparent Scheitern macht frei

Aber verändert Jesus nicht unser ganzes Leben, unser Umfeld, ja sogar die ganze Welt? Bleibt denn alles beim Alten? Die wahre Veränderung geschieht nicht an unserem Scheitern vorbei. Sie ist kein Ergebnis unserer Anstrengungen. Sie ist ein indirektes und mehr oder weniger zufälliges Produkt des einfältigen Glaubens an Jesus. Sie ereignet sich da, wo Gottes Wort die Menschen erreicht und sie nichts anderes mehr sein wollen als Sünder in der Hand des barmherzigen Gottes.

In dieser Erfahrung liegt eine unglaubliche Freiheit, die Kräfte freisetzt, die uns selbst überraschen. Es ist nicht die Kraft dieser Welt, sondern die Kraft, schwach zu sein vor Gott und unseren Nächsten. Dann werden wir transparent für die sanftmütige Liebe Gottes, der mit uns und dieser Welt zu seinem Ziel kommt. Durch jedes Scheitern hindurch.

Philip Geck

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