Mich beschlich das Gefühl, dass er eigentlich nicht mit mir reden wollte. Oder zumindest, dass es egal war, ob er jetzt mit mir oder irgendjemanden redete. Wir waren beide relativ früh auf der WG-Party eingetroffen und kannten uns flüchtig von der Uni. Ich schien die erste Person zu sein, die er kannte, denn ich hatte gerade erst meine Jacke auf den noch kleinen Jackenberg in irgendeinem WG-Zimmer geworfen, als er mit vollem Glas in der Hand zielstrebig auf mich zuschoss. „Hiiiii, wie cool, Dich zu sehen. Wie geht’s wie steht’s?“ „Gut“, antwortete ich, denn es war keine Situation, die eine ehrliche Antwort erforderte. Er plauderte drauf los und wir smalltalkten für ein paar Minuten. Ich mochte ihn eigentlich ganz gern, aber mir fiel etwas auf.
Kennst du das, wenn die Person im Gespräch ständig an dir vorbeischaut? Und das nicht etwa, weil sie ein Problem mit den Augen hätte, sondern weil sie jede Bewegung um dich herum registriert: wer mit wem quatscht, wer gleich durch die Tür kommt und wo sich etwas Neues ergibt – vielleicht jemand Spannenderes oder Bekannteres?
Überall und nirgends
Und nach ein paar Minuten war es so weit: „Ah, da sind grad Anna und Philipp gekommen, ich geh kurz „Hallo“ sagen. Wir reden später weiter, ja?“ Und es ist klar, wir reden später nicht weiter, denn es geht gar nicht um mich – sondern um das Gefühl, das ER dabei hat. Der Typ flatterte den ganzen Abend von einem zum nächsten und blieb am Ende in der Influencer-Bubble auf dem Balkon hängen.
Schon klar, unsere sozialen Bedürfnisse und Verhalten unterscheiden sich und wir alle suchen nach Freundschaft und Zugehörigkeit, nach Beliebtheit und Anerkennung. Die schwedische Wissenschaftlerin Marta Miklikowska, die zum Thema Freundschaft und Empathie an der Universität von Umeå forscht schreibt, dass die Unterscheidung zwischen dem Bedürfnis nach Freundschaft und Beliebtheit sehr wichtig ist. Beliebt zu sein hat mit einem Streben nach Popularität zu tun – Leute sollen mich kennen, mit mir befreundet sein wollen und mich gut finden. Follower eben. Bei Popularität steht ein Streben im Mittelpunkt, dass mit mir zu tun hat, mit meinem Gefühl.
Freundschaft hingegen sucht das Gegenüber, es geht um das DU und das Miteinander auf Augenhöhe. Die positiven Auswirkungen von Freundschaft auf die mentale und soziale Gesundheit haben nicht mit „Beliebtheit“, sondern mit echter Freundschaft zu tun, die auf gegenseitigem Vertrauen, Zuverlässigkeit und Wohlwollen basiert.
Zu viele Follower?
Ich sprach mit einer Person, die Tausende Follower hat und mit der viele Menschen gerne „befreundet“ sein wollen. Es ist kein leichtes Eingeständnis, dass es dabei nicht um die Person an sich geht, sondern das Gefühl was Connection dem Follower verleiht. Doch Anhimmeln ist keine ausreichende Basis für das, was Freundschaft braucht.
Was suchst du gerade? Geht es Dir um Freundschaft oder geht es dir gerade um Beliebtheit? Suchst du Freundschaft oder ein Gefühl? Beides ist in Ordnung, doch wir sollten das eine von dem anderen unterscheiden. Es ist sicher nicht leicht sich einzugestehen, dass man mit einer Person eigentlich nur befreundet sein will, weil sie „berühmt“ ist und dabei etwas für mich drin sein könnte. Doch es zeigt mir vielleicht auch auf, was in meinem Herzen los ist und wo meine Freundschaftssuche das Ziel verfehlt.