Neulich auf einer Konferenz treffe ich einen alten Kumpel aus dem Studium. Paul* und ich haben uns seit Jahren nicht gesehen, plaudern kurz über seine Kids und die Karriere, lachen über alte Erinnerungen und verabschieden uns wieder. Etwas später begegne ich Timo*, ebenfalls ein Bekannter aus der gleichen Zeit und auch wir unterhalten uns kurz. Irgendwann sage ich: „Ich habe vorhin Paul getroffen, kennt ihr euch eigentlich auch noch?“ Timo holt daraufhin tief Luft und sagt etwas leiser: „Ja, wir waren echt mal close, ich war sogar sein Trauzeuge, aber wir haben keinen Kontakt mehr. Ich wüsste nicht, wie das wäre ihm jetzt hier zu begegnen.“
Ich hatte keine Ahnung, dass die beiden so eng befreundet waren, aber ich schätze beide als reflektierte und wertschätzende Menschen. „Was ist passiert?“ frage ich vorsichtig nach. Paul überlegt kurz: „Eigentlich nicht viel. Wir haben uns verändert, sind glaubens- und ortstechnisch auseindergedriftet und darüber nicht im Gespräch geblieben. Am Ende fühlte es sich seltsam an.“ „Und wie ist es heute?“ „Irgendwie okay, aber es geht mir immer noch nach. Manchmal denk ich darüber nach, mich bei ihm zu melden, aber lass es dann. Denn vielleicht geht es nur mir so.“
Ein ungeklärtes Gefühl
Die Begegnungen mit Timo und Paul beschäftigt mich noch eine Weile. Timo überlegt ab und zu, ob er sich bei Paul melden sollte – um dem seltsamen Ende ein anderes Ende oder vielleicht sogar einen Neuanfang zu verleihen. Was ist, wenn es Paul ähnlich geht und die beiden sich seit Jahren die gleiche Frage stellen, ohne dass einer den ersten Schritt macht? Dieses Dilemma begegnet mir öfter. In vielen Freundschaften kommt es aufgrund von Lappalien, Missverständnissen oder unspektakulären Konflikten zum Ende der Beziehung. Einem Ende, das bei mindestens einer Person ein komisches, ungeklärte Gefühl hinterlässt. Erst letzte Woche erzählt mir eine junge Frau von ihrer besten Freundschaft aus der Teenie-Zeit, die mit einem Konflikt endete, an den sie sich nicht einmal mehr erinnert. „Es ist 15 Jahre her, aber wenn ich sie sehe, versetzt es mir immer noch einen Stich. Doch was ist, wenn es nur mir so geht?“
Da war sie wieder, diese Frage. Was ist, wenn nur ICH über die Art und Weise, wie unsere Freundschaft auseinandergegangen ist, Trauer empfinde? Was ist, wenn nur ich das Gefühl habe, dass etwas ungeklärt ist? Was, wenn die andere Person das nicht denkt?
Nur (m)ein Gefühl
Ein Konflikt muss nicht zwangsläufig ein Ende, und ein Freundschaftsende nicht zwangsläufig eine Katastrophe sein. Manchmal enden Freundschaften und beide Seiten können anerkennen, dass es okay ist, dass das Leben so spielt oder wir eben nicht immer alles schaffen. Doch manchmal ist es eben für einen oder beide nicht gut.
Schwierig ist, dass wir das vom anderen nicht wissen. Und auch nicht wissen können, es sei denn, wir sprechen darüber. Es besteht die Möglichkeit, dass es der anderen Person auch nachgeht und zwei Personen mit dem gleichen Stich leben. Und wenn nicht zwei, dann zumindest eine Person, nämlich du, und für dich sollte es auch Frieden geben, ganz gleich, was die andere Person denkt und fühlt.
Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir das „nur“ aus dem Satz streichen. Warum ist es ein „nur“, wenn es dir so geht? Es geht dir so. Punkt. Und du bist wichtig. Dinge, die dir etwas ausmachen, sind nicht egal. Sind es wert, dass du hinguckst, ihnen nachgehst und für DICH Frieden findest.
Frieden finden
Im Römerbrief der Bibel begegnet uns im Blick auf „Versöhnung“ ein wichtiger Leitsatz. Dort heißt es: „Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!“ Vielleicht gibt es etwas, das in deiner Möglichkeit ist, um Frieden zu schaffen oder Frieden zu finden. Ein Anruf, eine Nachricht, ein Brief, ein Gespräch. Braucht es einen mutigen Schritt? Sei du die Person, die ihn geht. Übernimm Verantwortung für das, was dich bewegt.
Vielleicht gibt es für dich keine Möglichkeit mehr und du hast alles versucht. In dem Fall darfst du im Gespräch mit Gott, mit anderen Freunden oder in der Seelsorge Schritte gehen, in denen du lernst, loszulassen und mit dir selbst wieder im Frieden zu sein. Denn mit „alle Menschen“ in dem Vers bist schließlich auch du selbst gemeint. Und selbst ganz am Ende bleibt dann manchmal die Chance auf ein Wunder, denn dort, wo meine Möglichkeiten enden, sind Gottes Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft.
*Namen geändert