Fenster mit Blick auf Großstadt

In den Zwanzigern mit Eltern reisen

schön dich kennenzulernen, Mama!

Es gibt circa drei Personen in meinem Leben, mit denen ich die Welt bereisen könnte. Ich liebe alle meine Freunde und damit das so bleibt, werde ich mit manchen von ihnen niemals länger als sieben Tage am Stück verbringen. Das gilt auch für den Großteil meiner Familie. Ich befinde mich also in einer spannenden Position als mich meine Mutter anheuert ihr einen Lebenstraum zu erfüllen und sie nach Amerika zu begleiten. Drei Wochen. Nur ihr 50-Jähriges Sie und mein halb so altes Ich. Da ich für meinen Stiefvater mit Flugangst einspringe, will sie den Großteil bezahlen. Hotel Mama auf Reisen! Ich stimme zu.

Rollentausch

Schon in der Vorbereitung werden unsere Unterschiede deutlich. Mama will alles vorher buchen, kann zwei Wochen vor Abflug nicht mehr schlafen und ihr Koffer wiegt 22,3 Kilo. Ich bestehe auf ein paar Lücken in unserem Plan für spontane Abenteuer. Meinen Koffer besorge ich zwei Tage vorher. Gefüllt wiegt er 13,7 Kilo. Unser erster Stopp: New York City. Schon am Flughafen dämmert mir, unsere Rollen sind hier umgekehrt. Für meine Mum ist das die erste Reise dieser Größenordnung und dementsprechend alles neu. Ich übernehme deshalb die Navigation am Flughafen, weil es schneller geht, kommuniziere mit dem Personal, weil ich sprachlich fitter bin und als der digital Native unter uns beiden vergleiche ich online, welcher SIM-Karten Anbieter das bessere Angebot hat.

So lange alles glatt geht, kann ich mit der Rolle des Reiseführers gut leben und bin auch irgendwie stolz vor meiner Mama den lässigen Weltenbummler zu geben. Die Fassade beginnt zu bröckeln als ich Bus statt U-Bahn wähle und wir zwei Stunden lang durch die dreckigsten Straßen New Yorks tingeln. Als wir in genau so einer abgesetzt werden, keine zwei Gehminuten von unserem AirBnB entfernt, weiß ich eine verunsicherte Google-Suchanfrage später: Ich habe eine Unterkunft in dem Teil von Brooklyn gebucht, der für die höchste Kriminalitätsrate im Big Apple berühmt ist. Obendrein funktioniert das Türschloss zu unserem Apartment nicht. Als mir der nette Spitzname „Murder Capitol“ begegnet, wiegt die Verantwortung auf einmal schwer auf meinen Schultern und ich bekomme Panik.

Panik in Brooklyn

Meine Mutter redet beschwichtigend auf mich ein. Doch ich bin unerreichbar im Krisenmodus: Sollen wir bleiben oder suchen wir was Neues? Sind wir übertrieben besorgt oder naiv, wenn wir mit unseren Bauchtaschen und Laufschuhen durchs Getto wandern? Mit einem spontanen Umzug brennen wir ein dickes Loch ins Reisekonto, dabei haben wir gerade erst angefangen. Aber ist das nicht besser als ausgeraubt und traumatisiert vorzeitig den Rückflug anzutreten? Ich ertappe mich bei dem Wunsch, ich könnte meine Mom zuhause anrufen. Von da aus hat sie immer ermutigende Worte oder gute Ideen für mich. Jetzt sitzt sie hier neben mir. Genauso ratlos wie ich. Und ich merke, dass ich damit überhaupt nicht umgehen kann.

Wir vertagen die Entscheidung schließlich auf Morgen, gehen schlafen und lassen uns am nächsten Tag per Uber von der Haustür bis zur Brooklyn Bridge bringen. Für einen Tag vergessen wir die Sicherheitsfrage, genießen die Aussicht vom Rockefeller Center, gehen Vintage Shoppen und beobachten Menschen von den Treppen am Times Square aus.

Schön sich kennenzulernen

Nachdem wir unseren Uber-Fahrer, zwei Locals und drei Polizisten nach ihrer Meinung gefragt haben, packen wir am nächsten Morgen unsere Sachen und ziehen nach Queens in ein Hotel. Das Geld für die erste Unterkunft bekommen wir dank eines Beweisfotos des kaputten Schlosses größtenteils zurückerstattet. Wir meistern das berüchtigte Subway-System von NYC mit Links und fühlen uns unkaputtbar.

Das Verhältnis von Verantwortung zwischen uns, genauso wie unser unterschiedliches Temperament bleibt ein spannender Faktor und wir geraten deshalb häufig aneinander. Gleichzeitig lernen wir uns sechs Jahre nach meinem Auszug von Zuhause nochmal ganz anders kennen. Als Erwachsene. Eine Erfahrung, die ich nur empfehlen kann.

Real Life Guys beten vor dem Krankenhaus

Leben und Sterben auf Film

DRAN Newsletter

Verpasse keine Neuigkeiten mehr!

Unsere Top-Empfehlungen

"Frenemies"

Warum sind wir eigentlich befreundet? Wer darauf keine Antwort findet, hat es wohlmöglich eher mit einem Freundfeind zu tun. Das Wort „frenemy“ ist ein Kunstwort, das sich aus den englischen Wörtern „friend“ und „enemy“, also Freund und Feind, zusammensetzt. Ursprünglich entstand der Begriff in den 1950ern, um die politische Beziehung zwischen den USA und Russland zu beschreiben. Er bezeichnete Menschen, denen gegenüber man zwar eine Abneigung verspürte, sich aber aufgrund der Umstände um ein freundschaftliches Miteinander bemühte, als Freundfeind. Heutzutage werden allgemein Menschen als „frenemies“ bezeichnet, die zwar vorgeben Freunde zu sein, man sich ihrer Motive aber nie ganz sicher ist und die Freundschaft von einer gewissen Ambivalenz geprägt ist. Purer Stress Bei der Frage nach meinen „frenemies“ fiel mir eine Projektleiterin ein, mit der ich für eine gewisse Zeit arbeitete. Wir freundeten uns an, obgleich sich über die Zeit eine Dynamik entwickelte, die mich stresste. Ich wusste oft nicht, woran ich war. Manchmal betonte sie die freundschaftliche Augenhöhe zwischen uns, manchmal war sie die Vorgesetzte, die mir deutlich machte, dass sie das Sagen hatte. Manchmal lobte sich mich für eine gute Leistung und an einem anderen Tag gestand sie unter Tränen ihr Neid- und Konkurrenzgefühle mir gegenüber. Wir konnten einander durchaus tiefgründige Dinge erzählen, aber ich fühlte mich stets, als würde ich auf Eierschalen laufen. Als ich ihr eine Rückmeldung gab, fühlte sie sich angegriffen – unsere Beziehung zerbrach an einem kleinen Konflikt und ich verließ das Projekt. Rückblickend kann ich mein Unwohlsein klarer benennen: Sie wollte meine Freundin sein, aber sah in mir eine Rivalin. Wenn eine echte Freundschaft eine Beziehung ist, in der ich „ich selbst“ sein darf, so ist eine „frenemy“ Beziehung purer innerer Stress, denn es fehlt die Gewissheit bezüglich der Freundschaft. Nichts Halbes und nichts Ganzes Diese fehlende Klarheit ist nicht nur anstrengend, sondern sie torpediert buchstäblich unsere Gesundheit. Der Psychologe Adam Grant sagt, dass „frenemies“ aufgrund ihrer Ambivalenz den größeren Stress auslösen als „echte Feinde“. Der ständige Wechsel zwischen positiven und negativen Gefühlen erhöht unseren Blutdruck und auch unser Nervensystem scheint es besser zu verkraften, wenn jemand einen gar nicht mag, als wenn man sich nie ganz sicher sein kann, ob das Gegenüber vertrauenswürdig ist. Wir sehnen uns nach Klarheit – denn dieses „nicht Halbes und nichts Ganzes“ ist für Vertrauen ein wackliger Untergrund. Mir fielen die herausfordernden Worte Jesu ein, der sagt: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein sei ein Nein.“ (Matthäus 5,37). Jesus wollte Integrität und forderte Heuchelei, Zwielichtigkeit und Doppelmoral immer heraus. Es gibt ein „Liebet eure Feinde“ und ein „lasst euer Leben für eure Freunde“ Prinzip bei Jesus – ein Tolerieren von Falschheit finden wir nicht. Jesus unterstellte das Beste, aber wo ihm mit falschen Motiven begegnet wurde, appellierte er an die Klarheit und setzte Grenzen. Daher will ich dich ermutigen: Fordere diese Klarheit nicht nur von anderen ein, sondern lege sie am Besten auch selbst an den Tag. Franziska Klein ist Autorin, Pastorin und Beraterin und schreibt an dieser Stelle über die großen Fragen der  Freundschaft. Ihr Buch zum Thema ist im Fontis Verlag erschienen.

Weiterlesen ...

Freundschaft zwischen Männern und Frauen

Können Männer und Frauen befreundet sein?

„Nein, können sie nicht.“ Mein Blick schnellt zu dem Freund neben mir, der die Frage so vehement verneint. „Was für eine dumme Aussage“, meine ich wenig diplomatisch und mit ironischem Unterton: „Was sind wir denn bitte?“ Aus meiner Sicht sind wir genau das: ein Mann, eine Frau und miteinander befreundet. Eine Frage der Intensität? „Ja okay, das ist was Anderes“, sagt er. Ich weiß nicht, ob das jetzt gut oder schlecht ist und hake nach. Bevor er sich um Kopf und Kragen reden kann, entlarven wir unseren kleinen Disput als Missverständnis. Er hat an „Freunde bleiben, nachdem man zusammen war“ gedacht und die Klarheit seines „Neins“ beruht auf seiner eigenen Erfahrung. Okay, anderes Thema. Aber so grundsätzlich können Frauen und Männer doch befreundet sein, oder etwa nicht? „Ja“, räumt er ein. „Aber nicht allzu intensiv.“ Ich ziehe ihn bis heute mit dem Gespräch auf, denn Tatsache ist, dass wir nun schon über zehn Jahren gut befreundet sind und es durchaus „intensiv befreundete Zeiten“ gab. Wie kann es klappen? Ich glaube, dass Männer und Frauen befreundet sein können, sogar befreundet sein sollten. In erster Linie sind wir schließlich alle Menschen, die sich mehr oder weniger sympathisch und interessant finden. Ein Freund von mir meinte, dass man sich mit einem kategorischen Ausschluss des anderen Geschlechtes um 50 Prozent Freundschaftspotenzial bringen würde, und ich stimme ihm zu. In der Vergangenheit habe ich aber auch Menschen erlebt, die das andere Geschlecht nicht als freundschaftliches Gegenüber denken können, da zwischen „begehrenswert“ und „kein Interesse“ wenig Zwischenstufen machbar erscheinen. Meist hat das seine Gründe und liegt an Generationsunterschieden, Prägungen und eigenen Erfahrungen. Die eigentliche Frage lautet allerdings häufiger nicht, „ob“ man befreundet sein kann, sondern „wie“ es gut funktioniert. Für dieses „Wie“ könnten folgende Aspekte hilfreich sein: #1 Klarheit Es ist hilfreich, wenn klar ist, wo jeder romantisch steht. Single? Vergeben? Als ich einen meiner besten Freunde kennenlernte, stand er auf eine andere Person, sodass in unserer Freundschaft lange keine Rolle spielte, was das jetzt zwischen uns ist. Der Beziehungsstatus kann eine gewisse Klarheit schaffen. Wir können aber auch nicht immer so klar sein, wie es hilfreich wäre, und Beziehungskonstellationen sind auch nicht in Stein gemeißelt. #2 Erwartungen Falsche oder zu hohe Erwartungen bringen Freundschaften schnell zum Erliegen. Gerade in Freundschaften zum anderen Geschlecht ist ein überhöhter Exklusivanspruch irreführend. Der Anspruch bei einem Freund, „die wichtigste Frau“ in seinem Leben zu sein, führt über kurz oder lang zu Konflikten. Statt Zweisamkeit und Nähe zu kultivieren, kann man hier mehr Gruppenkompetenz üben. #3 Alltagstauglichkeit Wir brauchen in unseren Kirchen und in unserer Gesellschaft einen gesunden, ausgewogenen und alltagstauglichen Umgang miteinander. Lasst uns lernen, sexualisierte Klischees zu überwinden und unsere Beziehungsfähigkeit zu stärken: was es heißt „Brüder und Schwestern“ im Glauben zu sein, respektvoll und wohlwollend zu kommunizieren, Perspektiven zu entdecken und einen entspannten Umgang mit dem anderen Geschlecht zu lernen. #4 Gefühle In dem Falle, dass beide Single sind, kann es sein, dass die Frage „Könnten wir auch ein Paar sein?“ irgendwann auftaucht. So manche Paarbeziehungen entwickeln sich aus Freundschaft oder anfänglich einseitigem romantischen Interesse. Unerwiderte Gefühle hingegen können zu Frustration, Spannungen und auch dem Ende der Freundschaft führen – je nach Intensität und Umgang mit ihnen. Das kann weh tun, aber die Alternative ist, dass wir aus Angst vor Gefühlen das Wagnis der Freundschaft erst gar nicht eingehen. #5 Kompensation Wir haben blinde Flecken. Wir nutzen manchmal (unbewusst) die Freundschaft zum anderen Geschlecht auch, um Bestätigung zu bekommen oder einen Mangel auszufüllen. Und manchmal werden Freunde dann Mittel zum Zweck. Wir sind alle nicht davor gefeit, Fehler zu machen, verletzt zu werden oder auch zu verletzen. So schmerzhaft das sein kann, so wertvoll ist die Erfahrung, aus Fehlern zu lernen und Verbundenheit zu erleben – auch wenn es Grenzen gibt.

Weiterlesen ...

Toxische Beziehung - gruseliger Totenkopf

Vorsicht, giftig!

Katja bekommt das Grinsen nicht mehr aus ihrem Gesicht. Ben hat ihr Blumen geschenkt. Einfach so. „Du bist so wunderschön. Ich liebe dich. Du machst mich zum glücklichsten Mann“, hat er gesagt und sie angelächelt, dass ihr die Knie weich wurden. Zwanzig Minuten später hat sie einen dicken Kloß im Hals. Beim Spülen ist ihr Bens Kaffeebecher aus der Hand gerutscht und in tausend Teile zersprungen. „Wie dumm und idiotisch bist du eigentlich!? Du solltest am besten gar nichts machen, du hast einfach zwei linke Hände!“, ist dabei noch das Netteste, was aus seinem Mund kommt. Katja sagt kein Wort. Etwas zu entgegnen würde alles nur noch schlimmer machen. Sie fühlt sich dumm, klein und schuldig. Sie entschuldigt sich immer wieder und nachdem sie besonders lieb und zuvorkommend mit Ben umgegangen ist, findet schließlich, wie so oft, im Bett die Versöhnung statt. Täter und Opfer Eine Beziehung sollte ein Raum sein, in dem sich zwei Menschen einander liebevoll zuwenden und gleichzeitig die Freiheit haben, sie selbst zu sein – mit ihren Ecken und Kanten. Wenn eine Beziehung jedoch mehr von Zwängen, Schmerz oder Einsamkeit als von dem Gefühl der Wertschätzung und des Angenommenseins geprägt ist, dann schadet sie mehr, als dass sie gut tut. In manchen Beziehungen ist Kampf an der Tagesordnung – nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“. Das Gegenteil kann genauso toxisch sein. Es gibt keinen Streit, weil die Angst vor Verlust und Liebesentzug so groß ist, dass das Verhalten lieber angepasst wird, als die Harmonie zu gefährden. Besonders toxisch ist das Täter-Opfer-Prinzip: Der „Täter“ wertet ab, handelt egozentrisch, empathielos oder manipulativ und trägt oft narzisstische Züge. Das „Opfer“ denkt und handelt abhängig vom Verhalten des Gegenübers. Man nennt das „co-abhängig“. Das kann sich in einer Beziehung beispielsweise so anfühlen: Ich erlebe eine emotionale Achterbahnfahrt. Hochs (in den Himmel gelobt werden, „Love-Bombing“) und Tiefs (Abwertung, Erniedrigungen) wechseln sich ab. Die schönen Momente werden immer weniger. Für die guten Momente ertrage ich die schmerzhaften. Ich glaube, wenn ich nur ganz doll liebe, werde ich auch zurück geliebt. Ich glaube, ich kann mein Gegenüber retten, er oder sie braucht meine Hilfe, um Probleme zu überwinden. Ich glaube, dass ich das Problem bin, weil ich nicht gut genug bin. Ich denke, ich muss mich ändern. Aus Angst vor Konflikten und dem Verlassenwerden nehme ich mich immer mehr zurück. Ich mache mein Verhalten abhängig vom Verhalten meines Gegenübers und nehme mich selbst nicht so wichtig. Mein Gegenüber ist sehr schnell gekränkt. Ich werde kontrolliert, zum Beispiel, ob und mit wem ich mich treffe oder wofür ich Geld ausgebe. Ich werde ständig kritisiert und bin an allem schuld. Mein Gegenüber sieht sich immer als Opfer. Ich entschuldige mich für Dinge, die ich nicht getan habe. Ich bin gestresst, weil ich ständig Angst habe, etwas falsch zu machen. Ich fühle mich abhängig von meinem Gegenüber und denke, ich kann ohne sie oder ihn nicht leben. Meine Grenzen werden nicht respektiert und öfter überschritten. Ich glaube, dass er oder sie sich dieses Mal wirklich ändern wird. Ich werde manipuliert und die Realität wird verdreht, bis ich immer mehr an mir zweifle und schließlich selbst nicht mehr weiß, was wahr ist und was falsch ist („Gaslighting“). Es findet, neben der seelischen auch körperliche Gewalt statt. So schlimm ist das bei uns doch nicht … … denkst du jetzt vielleicht. Natürlich ist jede Beziehung anders. Aber wo fängt denn nun das Toxische an? Jesus hat uns die beste Orientierungshilfe mitgegeben. Er sagte in Markus 12,31: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Die Liebe zu sich selbst meint einen liebevollen Umgang mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Grenzen. Eigenliebe und Nächstenliebe müssen in Balance stehen, um gute Beziehungen führen zu können: Selbstliebe ohne Nächstenliebe macht das Gegenüber zu einem ersetzbaren Objekt, das nur der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse dient. Liebe ohne Selbstliebe führt in die emotionale Abhängigkeit und zum Verlust der eigenen Identität. Wenn du also dauerhaft (nicht punktuell!) egozentrisch oder selbstvergessen handelst, entsteht ein Ungleichgewicht. Hier fängt Toxizität an. Was kannst du selbst tun, um toxischem Verhalten entgegenzuwirken? Erkennen Vielleicht hast du in deiner Vergangenheit gelernt, dass Liebe an bestimmte Bedingungen geknüpft ist oder dass zur Liebe Schmerz dazu gehört. Du empfindest es deshalb als normal, dass mit dir so umgegangen wird. Das ist es aber nicht. Niemand hat das Recht, dich schlecht zu behandeln, dich herabzusetzen oder dir emotionale oder körperliche Gewalt zuzufügen! Wenn du dein Gegenüber niedermachst oder manipulierst, um dein eigenes Selbstbewusstsein zu pushen und dir sicher bist, dass er oder sie dich nicht verlassen wird, dann ist dein Verhalten lieblos und egoistisch. Ein liebevoller, wertschätzender Umgang ist in einer Paarbeziehung grundlegend, denn das ist der Ort, an dem wir uns besonders verletzlich machen. Achtsamkeit Um aus schädlichen Mustern herauszukommen, die dir bei der Liebe zu dir selbst im Wege stehen, spielt Achtsamkeit eine entscheidende Rolle. Das bedeutet, dir selbst auf die Spur zu kommen und immer wieder innezuhalten im Alltag: Was geht gerade in dir vor? Welche Gefühle sind da? Du kannst sie zum Beispiel in einem Gefühlstagebuch festhalten. Jeder von uns schleppt falsche Glaubenssätze mit sich herum, die unser Denken und Handeln bestimmen. Sie lassen uns zum Beispiel glauben, dass wir nur geliebt werden, wenn wir etwas leisten. Oder dass wir uns nicht so anstellen sollen, weil es anderen ja viel schlechter geht oder dass wir zu nichts taugen. Ein erster Schritt, diesen schlechten Einfluss zu entmachten, ist, dir seiner bewusst zu werden. Indem die Glaubenssätze vom Unbewussten ins Bewusstsein treten, kannst du dein Verhalten aktiv verändern. Du bist ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert und darfst stattdessen liebevolle Gedanken kultivieren und die Wahrheit über dich selbst entdecken. So kann zum Beispiel aus „Ich bin nicht schlau“ ein „Ich bin schlau genug“ werden. Selbstfürsorge Dann kannst du dich fragen, welche Dinge tun dir gut und lassen dich auftanken? Erlaube dir, hierfür Zeit zu nehmen. Du lernst so, deine Bedürfnisse zu spüren und deren Erfüllung in die eigene Hand zu nehmen. Du übernimmst Verantwortung für dich selbst. Dazu gehört auch, darauf zu achten, welche Dinge oder Personen dir nicht guttun. Was löst in dir Stress oder „Bauchweh“ aus? Mach dir auch bewusst, was deine wichtigsten Werte und was deine NO-GOs in einer Beziehung sind. Du darfst freundlich aber klar NEIN sagen! Und du wirst erleben, dass Menschen dich trotzdem oder gerade deshalb mögen. Kommunikation Ich-Botschaften helfen dabei, klarer zu kommunizieren und können ein Weg aus Konflikt-Spiralen sein. Dabei sprichst du über dein Gefühl („Es macht mich traurig, dass wir fast nie Zeit zu zweit verbringen.“) anstatt den anderen anzuklagen („Immer gehst du weg. Ich bin dir doch egal!“). Es ist auch hilfreich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn je tiefer die toxische Verstrickung, desto ratsamer, den Weg nicht alleine zu gehen. Eine gesunde Beziehung Dein neues, ungewohntes Verhalten stößt beim Gegenüber vielleicht nicht auf Gegenliebe, denn euer altes „Spiel“, euer Muster, funktioniert nicht wie bisher. Veränderungen erfordern Mut und auch Disziplin. Vor allem, wenn du bisher jeden Konflikt gescheut hast. Lass dich nicht entmutigen, sondern bleibe zugewandt aber auch liebevoll dir selbst gegenüber. Setze klare Grenzen. Du bist auf einem guten Weg, denn du gibst damit deinem Gegenüber und eurer Beziehung die Chance, zu wachsen und zu reifen. In jeder Beziehung gibt es Krisen und Konflikte. Auch toxische Elemente wie Abhängigkeiten, Grenzüberschreitungen oder manipulatives Verhalten können vorkommen. Entscheidend ist, wie ihr dabei grundsätzlich miteinander umgeht. Nähe und Distanz, nehmen und geben, bestimmen und sich anpassen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen. Liebe kann sich da entwickeln, wo Freiheit und Zuwendung gleichermaßen vorhanden sind. Unterschiedlichkeiten könnt ihr als wertvolle Ergänzung schätzen lernen. Dazu braucht es eine gute, offene Kommunikation, die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen und vor allem, den eigenen Anteil am Problem anzuerkennen. Dann müssen aus Worten Taten werden. Wann ist es besser, sich zu trennen? Deine eigenen Themen anzugehen hat bleibenden Wert, unabhängig von der Paarbeziehung. Du lernst, besser für dich zu sorgen und bessere Beziehungen zu führen. Wenn dein Verhalten eher dem des „Täters“ entspricht, lernst du, die Perspektive deines Gegenübers besser zu verstehen und liebevoller zu handeln. Mit Hilfe deiner Gos und No-Gos weißt du, was du bereit bist, für den Erhalt deiner Beziehung auf dich zu nehmen und was nicht mehr. Denn es kann sein, dass dein Gegenüber trotz deiner Bemühungen in toxischen Mustern kleben bleibt, keine eigenen Schritte zur Veränderung geht und deine No-Gos ignoriert. Wenn sich abzeichnet, dass diese Beziehung für dich deshalb ein Ort des Schmerzes bleibt und Wertschätzung und Annahme fehlen, ist es ratsam, eine Trennung in Erwägung zu ziehen. Das gilt natürlich umso mehr, wenn körperliche Gewalt im Spiel ist.

Weiterlesen ...