Wenn ich vor anderen Menschen sprechen muss, spüre ich ein starkes Angstgefühl in mir. Mein Herz schlägt schneller. Ich kann nicht mehr richtig atmen. Meine Beine zittern. Ich fange an zu schwitzen. Mir wird heiß und kalt zugleich und ich will einfach nur noch verschwinden.
Die sozialen Ängste begleiten mich bereits mein ganzes Leben. Schon als Kind war ich ziemlich schüchtern und habe mit Menschen, die ich nicht gut kannte, kaum ein Wort gesprochen. Zu groß war und ist die Angst, mich beim Sprechen zu verhaspeln, etwas Merkwürdiges zu sagen oder mich irgendwie zu blamieren. Denn was ich auf alle Fälle vermeiden möchte, ist, dass irgendjemand etwas Schlechtes über mich denkt.
Was mir Angst macht
Deshalb ist auch der weit verbreitete Gedanke »Sozialphobie = Angst vor Menschen« so nicht ganz korrekt. Betroffene haben keine Angst vor Menschen an sich, sondern vor der (negativen) Bewertung durch Andere. Sie sind auch nicht einfach nur ein bisschen schüchtern, sondern haben eine ernstzunehmende Angsterkrankung.
Eine soziale Phobie kann sich auf den kompletten Alltag auswirken und dadurch sehr belastend sein. Bei mir ist es vor allem das Sprechen vor Gruppen, Telefonieren, im Restaurant eine Bestellung aufgeben und neue Leute kennenlernen. Aber auch einkaufen gehen und vor anderen Menschen zu essen oder zu trinken fällt mir nicht immer leicht. Eine Sozialphobie kann Betroffene auch so stark einschränken, dass sie sich gar nicht mehr aus dem Haus trauen.
Professionelle Unterstützung
Inzwischen habe ich einen Weg gefunden, mein Leben - trotz der Ängste - möglichst gut zu leben. Das klappt mal besser und mal schlechter, denn auch die Ängste sind immer unterschiedlich stark. Was mir am meisten geholfen hat, waren mehrere Psychotherapien. Leider ist das oft mit einer langen Wartezeit und einem großen Aufwand verbunden, einen Therapieplatz zu finden. Und mit einer sozialen Phobie ist es noch schwieriger. Aber wenn man dann eine Therapeutin oder einen Therapeuten gefunden hat, bei dem man das Gefühl hat, mit der Zeit Vertrauen aufbauen zu können, merkt man, dass sich die anstrengende Suche gelohnt hat.
In der Therapie habe ich mich zum ersten Mal mit meinen Ängsten ernst genommen und gesehen gefühlt. Allein das war schon eine große Erleichterung für mich. Hilfreich war auch, ein Verständnis dafür zu bekommen, welche Faktoren dazu beigetragen haben, dass ich diese Angststörung entwickelt habe. Denn häufig gibt es nicht das eine Erlebnis, das eine Angsterkrankung auslöst. Es kommen verschiedene Aspekte zusammen. Gemeinsam mit meiner Therapeutin hinterfrage ich in der Therapie meine Angstgedanken und probiere verschiedene Strategien aus, um besser mit aufkommenden Angstgefühlen umgehen zu können. Mir helfen zum Beispiel Atemübungen oder intensive Reize (z. B. scharfe Bonbons oder Chilischoten) um wieder aus dem Gedankenstrudel herauszukommen.
Austausch mit anderen Betroffenen
Vor einigen Jahren hat mich meine damalige Therapeutin gefragt, ob ich schon mal darüber nachgedacht habe, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen. Hatte ich nicht – und auch keine wirkliche Vorstellung davon, wie so etwas überhaupt abläuft. Als ich nach der Therapiestunde wieder zuhause war, habe ich direkt nach Selbsthilfegruppen in meiner Stadt recherchiert und bin auch schnell fündig geworden. Aber allein die Vorstellung als Neue in eine bestehende Gruppe zu kommen, hat mir riesige Angst gemacht. Deshalb hat es noch einige Zeit gedauert, bis ich mich zum ersten Mal getraut habe hinzugehen.
Ich bin sehr froh, dass ich damals genug Mut zusammennehmen konnte und die Selbsthilfe seitdem als zusätzliche Unterstützungsmöglichkeit habe. Eine lange Zeit saß ich einfach nur still mit bei den Treffen und habe den anderen zugehört. Dadurch dass in der Selbsthilfegruppe alle soziale Ängste haben, konnten auch alle nachvollziehen, wie schwierig es ist, überhaupt zur Gruppe zu gehen und es war okay, einfach nur zuzuhören. Für mich war es sehr hilfreich zu merken, dass es auch noch andere Menschen mit den gleichen oder ähnlichen Problemen gibt. Menschen, die nicht nur Verständnis haben, sondern auch nachempfinden können, wie es ist, eine soziale Phobie zu haben.
Kleine Helfer im Alltag
Das Leben ist voll von sozialen Situationen. Das macht den Alltag mit einer Sozialphobie ganz schön herausfordernd und anstrengend. Es ist wichtig, die eigenen Ressourcen gut einzuteilen und sich auch immer wieder Pausen zu nehmen, um Kraft und Mut aufzutanken. Für mich ist das eine wichtige Voraussetzung, um mich überhaupt wieder neuen Herausforderungen stellen zu können.
Steht eine Situation bevor, bei der ich vor oder mit Menschen sprechen muss, nimmt mir eine gute Vorbereitung zumindest einen kleinen Teil der Angst. Auch vor Telefonaten schreibe ich mir immer auf, was ich sagen möchte, und übe das vorher ein paar Mal laut auszusprechen. Trotzdem reicht mein Mut nicht immer aus und ich greife – wenn möglich – auf eine schriftliche Kommunikation zurück. Oder bitte zum Beispiel eine Freundin, im Café für mich mitzubestellen. Natürlich ist das dann Vermeidung. Aber ich denke, wenn mir die Bestellsituation so viel Angst macht, dass ich das Treffen sonst absagen würde, ist das okay. Denn es wird immer wieder Tage und Situationen geben, in denen die Angst sehr stark ist. Aber genauso auch Momente, in denen der Mut größer ist.