Mein Garten - dein Garten

Wie du gesunde Grenzen setzt

und warum das so wichtig ist.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich vor einigen Jahren an meinem absoluten Tiefpunkt angekommen war. Die einfachsten Dinge überforderten mich, ich kämpfte täglich mit Panikattacken und musste viele Situationen, die zuvor zur Normalität gehört hatten, meiden. Letztendlich konnte ich weder arbeiten noch mein Studium beenden.

Mittlerweile weiß ich, dass es viele kleine Bausteine waren, die den Turm zum Einsturz gebracht hatten. Und einer der Wichtigsten davon, hatte mit meinen Grenzen zu tun. Ich wollte es immer allen Menschen rechtmachen und dabei übernahm ich mich regelmäßig selbst. Ich wollte bloß niemanden enttäuschen und fühlte mich sehr schnell für alles und jeden verantwortlich, vor allem für diejenigen, die mir am wichtigsten waren. Das Konzept von Grenzen war mir damals nicht bekannt. Heute ist es einer der wichtigsten Bausteine, auf denen ich Beziehungen aufbaue.

Was sind gesunde Grenzen?

Gesunde Grenzen verlaufen für mich dort, wo ich anfange und die andere Person endet. Klingt kompliziert? Lass es mich erklären:

Stell dir vor, du hast ein Haus und einen Garten. Nebenan wohnt dein Nachbar. Er hat ebenfalls ein Haus mit Garten. Für alles was auf deinem Grund und Boden geschieht bist du verantwortlich. Für alles was auf dem Nachbargrundstück geschieht, dein Nachbar. Um die Verantwortungsbereiche klarer abzugrenzen, stellst du einen Zaun auf. Der Zaun ist außerdem ein Schutz vor Gefahren und Eindringlingen von außen.

Du, dein Haus und dein Garten stehen sinnbildlich für deine Gefühle, deine Gedanken und deine Entscheidungen. Dein Nachbar, sein Haus und sein Garten wiederum für die seinen. Der Zaun versinnbildlicht die Grenzen, die du setzt. Denn du allein bist für deine Gefühle, deine Gedanken und deine Entscheidungen verantwortlich. Und um das für dich und deinen Nachbarn klar zu machen, ist es wichtig Grenzen zu ziehen.

Wofür sind Grenzen da?

Gesunde Grenzen beschützen die Beziehung zu dir selbst. Wenn du Grenzen und Limits hast, weißt du ganz genau, wo du beginnst und wo du aufhörst. Du vertraust dir selbst und kannst mit Überzeugung kommunizieren, was du dir gefallen lässt und was nicht. Grenzen bauen Selbstvertrauen und definieren, wofür du wirklich verantwortlich bist und wofür nicht.

Gesunde Grenzen beschützen gleichzeitig auch deine Beziehungen mit anderen. Wenn du weißt, wer für was verantwortlich ist, kannst du dich entspannen. Du musst nicht versuchen Gott im Leben anderer zu spielen, indem du zu viel machst und auch nicht anderen zu viel Platz in deinem Leben einräumen, indem du überall Verantwortung übernimmst. Grenzen sind gut für dich und für andere.

Woher weißt du, dass du Grenzen brauchst?

Hier sind vier Anzeichen, dass du womöglich an deinen Grenzen arbeiten solltest:

  • Du vernachlässigst dich selbst.

„Setzen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf und helfen Sie dann anderen.“, diese Aussage kennt jeder aus dem Flugzeug. Es klingt einfach, aber das ist es oft nicht. Sich um sich selbst zu kümmern ist mehr, als ein bisschen Wellness und ist alles andere als selbstsüchtig. Dazu gehört zum Beispiel Nein zu sagen und sich seiner eigenen Bedürfnisse bewusst zu sein. Und genau wie bei dem Beispiel mit der Sauerstoffmaske wirst du mehr Energie dafür haben anderen zu helfen, wenn du dich erst um dich selbst sorgst.

  • Du fühlst dich überfordert.

Überforderte Menschen haben mehr zu tun, als sie Zeit haben. Heutzutage ist diese Art der Geschäftigkeit normal und das Wohlbefinden vieler Menschen der Preis dafür. Gesunde Grenzen zu verstehen ist ein proaktiver Weg, um herauszufinden, was wirklich machbar ist.

  • Du hegst einen inneren Groll gegen andere.

Wenn wir keine Grenzen setzen, mündet das oft darin, dass wir uns ausgenutzt, frustriert, verärgert, genervt oder verbittert fühlen. Das verändert die Art und Weise wie wir mit anderen umgehen und erlaubt uns nicht, uns in Beziehungen von der besten Seite zu zeigen. Wenn wir einen inneren Groll hegen, tun wir Dinge für andere aus Pflichtgefühl und nicht aus der Freude am Helfen.

  • Du meidest andere Menschen.

Anderen aus dem Weg zu gehen oder sie zu ignorieren sind Vermeidungstaktiken. Wenn du versuchst ein Problem zu umschiffen, verhindert das den Konflikt häufig nicht, sondern schiebt die Notwendigkeit gute Grenzen zu setzen nur auf.

Fühlst du dich angesprochen? Ich bin davon überzeugt, dass jeder von uns bewusst Grenzen setzen und diese auch klar kommunizieren sollte. Gesunde Grenzen sehen für jeden anders aus. Dabei kommt es auf Persönlichkeit, Familienumstände, Zeit und vieles mehr an. Grenzen können außerdem in ganz verschiedenen Bereichen gezogen werden. Nedra Glover Tawwab schreibt in ihrem Buch „Set boundaries, find peace“ über die Bereiche Familie, romantische Beziehungen, Freundschaften, am Arbeitsplatz und über Social Media, dass Grenzen in jedem Bereich anders aussehen, aber überall wichtig sind.

Vielleicht geht es dir jetzt wie mir vor einiger Zeit und du weißt gar nicht wo du anfangen sollst mit dem Grenzen ziehen. Oder du warst eigentlich der Überzeugung, dass du schon ganz gut dabei bist, aber die oben genannten Anzeichen haben trotzdem auf dich zugetroffen. Die Frage, die sich an diesem Punkt stellt, ist: Wie lassen sich gesunde Grenzen identifizieren?

Grenzen identifizieren

Dafür kannst du dir Zeit nehmen, es dir in einer ruhigen Ecke bequem machen und die unten genannten Fragen beantworten. Höre dabei auf deine Gefühle und deine Gedanken. Setze dir Prioritäten und beziehe auch andere Personen ein, die dir wichtig sind und dich gut kennen. Denke daran, dass du beim Kommunizieren der Grenzen klar und bestimmt und trotzdem freundlich sein kannst. Behalte im Hinterkopf, dass es zu deinem Besten ist und auch deine Beziehungen zu anderen auf ein neues Level hebt.

Kümmere dich um deinen Garten. Du bist dafür verantwortlich. Wenn du gut damit umgehst, wird darin viel Schönes wachsen und die Pflanzen können Früchte tragen. Ist das nicht auch ein göttliches Prinzip?

  1. Wie sieht eine gesunde Beziehung in deinen Augen aus?
  2. Wenn du dir deine Antwort zur ersten Frage anschaust: Was sind deine wichtigsten Bedürfnisse in einer Beziehung?
  3. Gibt es eine Beziehung / Freundschaft, die toxisch oder schwierig (geworden) ist oder in der deine Bedürfnisse nicht respektiert werden? (Schau dir gern noch einmal die vier Anzeichen weiter oben im Text an.)
  4. Was für eine Grenze wäre in diesem Fall hilfreich? Schreibe die Grenze auf und überlege, wie du sie am besten kommunizieren kannst.
  5. Kommuniziere die Grenze und stehe zu deiner Entscheidung.

Ruth Rainer

lebt mit ihrer Familie in Berlin und arbeitet als Redakteurin.

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Freundschaft zwischen Männern und Frauen

Können Männer und Frauen befreundet sein?

„Nein, können sie nicht.“ Mein Blick schnellt zu dem Freund neben mir, der die Frage so vehement verneint. „Was für eine dumme Aussage“, meine ich wenig diplomatisch und mit ironischem Unterton: „Was sind wir denn bitte?“ Aus meiner Sicht sind wir genau das: ein Mann, eine Frau und miteinander befreundet. Eine Frage der Intensität? „Ja okay, das ist was Anderes“, sagt er. Ich weiß nicht, ob das jetzt gut oder schlecht ist und hake nach. Bevor er sich um Kopf und Kragen reden kann, entlarven wir unseren kleinen Disput als Missverständnis. Er hat an „Freunde bleiben, nachdem man zusammen war“ gedacht und die Klarheit seines „Neins“ beruht auf seiner eigenen Erfahrung. Okay, anderes Thema. Aber so grundsätzlich können Frauen und Männer doch befreundet sein, oder etwa nicht? „Ja“, räumt er ein. „Aber nicht allzu intensiv.“ Ich ziehe ihn bis heute mit dem Gespräch auf, denn Tatsache ist, dass wir nun schon über zehn Jahren gut befreundet sind und es durchaus „intensiv befreundete Zeiten“ gab. Wie kann es klappen? Ich glaube, dass Männer und Frauen befreundet sein können, sogar befreundet sein sollten. In erster Linie sind wir schließlich alle Menschen, die sich mehr oder weniger sympathisch und interessant finden. Ein Freund von mir meinte, dass man sich mit einem kategorischen Ausschluss des anderen Geschlechtes um 50 Prozent Freundschaftspotenzial bringen würde, und ich stimme ihm zu. In der Vergangenheit habe ich aber auch Menschen erlebt, die das andere Geschlecht nicht als freundschaftliches Gegenüber denken können, da zwischen „begehrenswert“ und „kein Interesse“ wenig Zwischenstufen machbar erscheinen. Meist hat das seine Gründe und liegt an Generationsunterschieden, Prägungen und eigenen Erfahrungen. Die eigentliche Frage lautet allerdings häufiger nicht, „ob“ man befreundet sein kann, sondern „wie“ es gut funktioniert. Für dieses „Wie“ könnten folgende Aspekte hilfreich sein: #1 Klarheit Es ist hilfreich, wenn klar ist, wo jeder romantisch steht. Single? Vergeben? Als ich einen meiner besten Freunde kennenlernte, stand er auf eine andere Person, sodass in unserer Freundschaft lange keine Rolle spielte, was das jetzt zwischen uns ist. Der Beziehungsstatus kann eine gewisse Klarheit schaffen. Wir können aber auch nicht immer so klar sein, wie es hilfreich wäre, und Beziehungskonstellationen sind auch nicht in Stein gemeißelt. #2 Erwartungen Falsche oder zu hohe Erwartungen bringen Freundschaften schnell zum Erliegen. Gerade in Freundschaften zum anderen Geschlecht ist ein überhöhter Exklusivanspruch irreführend. Der Anspruch bei einem Freund, „die wichtigste Frau“ in seinem Leben zu sein, führt über kurz oder lang zu Konflikten. Statt Zweisamkeit und Nähe zu kultivieren, kann man hier mehr Gruppenkompetenz üben. #3 Alltagstauglichkeit Wir brauchen in unseren Kirchen und in unserer Gesellschaft einen gesunden, ausgewogenen und alltagstauglichen Umgang miteinander. Lasst uns lernen, sexualisierte Klischees zu überwinden und unsere Beziehungsfähigkeit zu stärken: was es heißt „Brüder und Schwestern“ im Glauben zu sein, respektvoll und wohlwollend zu kommunizieren, Perspektiven zu entdecken und einen entspannten Umgang mit dem anderen Geschlecht zu lernen. #4 Gefühle In dem Falle, dass beide Single sind, kann es sein, dass die Frage „Könnten wir auch ein Paar sein?“ irgendwann auftaucht. So manche Paarbeziehungen entwickeln sich aus Freundschaft oder anfänglich einseitigem romantischen Interesse. Unerwiderte Gefühle hingegen können zu Frustration, Spannungen und auch dem Ende der Freundschaft führen – je nach Intensität und Umgang mit ihnen. Das kann weh tun, aber die Alternative ist, dass wir aus Angst vor Gefühlen das Wagnis der Freundschaft erst gar nicht eingehen. #5 Kompensation Wir haben blinde Flecken. Wir nutzen manchmal (unbewusst) die Freundschaft zum anderen Geschlecht auch, um Bestätigung zu bekommen oder einen Mangel auszufüllen. Und manchmal werden Freunde dann Mittel zum Zweck. Wir sind alle nicht davor gefeit, Fehler zu machen, verletzt zu werden oder auch zu verletzen. So schmerzhaft das sein kann, so wertvoll ist die Erfahrung, aus Fehlern zu lernen und Verbundenheit zu erleben – auch wenn es Grenzen gibt.

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Sex vor der Ehe?

Verbietet die Bibel Sex vor der Ehe?

Wenn zwei Menschen „ein Fleisch werden“, wie die Bibel Sex in 1. Mose 2,24 beschreibt, dann geschieht dabei etwas Explosives. Die beiden Partner überwinden einen Teil ihrer Scham, die sie seit dem Sündenfall voreinander haben. Sie erleben eine starke Geborgenheit und kommen sich körperlich, aber auch seelisch extrem nah. Das Explosive besteht nicht nur darin, dass beide Partner eine körperliche Befriedigung erleben, sondern dass sie eins werden. Normalerweise gilt: 1 + 1 = 2, doch beim Sex gilt: 1 + 1 = 1. Die Mathematik wird einfach auf den Kopf gestellt. In der Bibel wird diese Art von Erotik mächtig gefeiert. Lies mal das Hohelied in der Bibel und du wirst merken, dass Sex in der Bibel wirklich zelebriert wird. Nicht weiter erstaunlich, ist Gott doch der kreative Erfinder. Spaßbremse? Woher kommt dann der Grundsatz „Kein Sex vor der Ehe“, der diese geniale Energie scheinbar dämpft und eingrenzt? Der komplette Vers in 1. Mose 2,24 lautet so: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und sie werden ein Fleisch werden.“ Krass! Da verlässt ein Typ sein altes Umfeld und entscheidet sich bewusst für ein Leben mit seiner Frau. Er drückt damit aus: Ich übernehme Verantwortung und will mich meiner Frau ganz hingeben. Sex läuft hier also erst nach einer klaren, öffentlich sichtbaren Entscheidung für den Partner. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch: Wie in 1. Mose 2,24 ist auch sonst in der Bibel nirgends wörtlich ein Verbot von vorehelichem Sex festgehalten. Ein Rahmen für große Freude Ich glaube, dass Gott die Kraft, die wir in der Sexualität vorfinden, nicht dämpfen, sondern kanalisieren und bündeln will. Gott will uns dieses Geschenk im richtigen Rahmen und mit den richtigen „Sicherheitsmaßnahmen“ erleben lassen. Da kommt die Ehe ins Spiel, die das bedingungslose „Ja“ zweier Liebenden ist, der höchste Ort der Ausschließlichkeit. Das heißt: Ich gebe mich dir, und zwar nur dir, ganz hin. Wenn man heiratet, verpflichtet man sich öffentlich und rechtlich, dem Gegenüber treu zu sein. Das ist extrem radikal und absolut. In Verantwortung Ich habe vor vier Monaten selbst geheiratet. Am Vorabend der Hochzeit habe ich zum ersten Mal gespürt, was für eine krasse Verantwortung mit dieser Entscheidung einhergeht. Mir wurde bewusst, dass ich mich für den Rest meines Lebens an meine Frau gebunden habe und verantwortlich bin, diesen „Bund“ auch einzuhalten. Und genau das ist der springende Punkt: Ich bin überzeugt, dass guter Sex von dieser Absolutheit und dieser Verantwortlichkeit lebt. Gott will uns nicht den Spaß verderben, sondern langanhaltende und gegenseitige Intimität ermöglichen. Er will nicht, dass wir uns an Sex die Herzen verbrennen.

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Toxische Beziehung - gruseliger Totenkopf

Vorsicht, giftig!

Katja bekommt das Grinsen nicht mehr aus ihrem Gesicht. Ben hat ihr Blumen geschenkt. Einfach so. „Du bist so wunderschön. Ich liebe dich. Du machst mich zum glücklichsten Mann“, hat er gesagt und sie angelächelt, dass ihr die Knie weich wurden. Zwanzig Minuten später hat sie einen dicken Kloß im Hals. Beim Spülen ist ihr Bens Kaffeebecher aus der Hand gerutscht und in tausend Teile zersprungen. „Wie dumm und idiotisch bist du eigentlich!? Du solltest am besten gar nichts machen, du hast einfach zwei linke Hände!“, ist dabei noch das Netteste, was aus seinem Mund kommt. Katja sagt kein Wort. Etwas zu entgegnen würde alles nur noch schlimmer machen. Sie fühlt sich dumm, klein und schuldig. Sie entschuldigt sich immer wieder und nachdem sie besonders lieb und zuvorkommend mit Ben umgegangen ist, findet schließlich, wie so oft, im Bett die Versöhnung statt. Täter und Opfer Eine Beziehung sollte ein Raum sein, in dem sich zwei Menschen einander liebevoll zuwenden und gleichzeitig die Freiheit haben, sie selbst zu sein – mit ihren Ecken und Kanten. Wenn eine Beziehung jedoch mehr von Zwängen, Schmerz oder Einsamkeit als von dem Gefühl der Wertschätzung und des Angenommenseins geprägt ist, dann schadet sie mehr, als dass sie gut tut. In manchen Beziehungen ist Kampf an der Tagesordnung – nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“. Das Gegenteil kann genauso toxisch sein. Es gibt keinen Streit, weil die Angst vor Verlust und Liebesentzug so groß ist, dass das Verhalten lieber angepasst wird, als die Harmonie zu gefährden. Besonders toxisch ist das Täter-Opfer-Prinzip: Der „Täter“ wertet ab, handelt egozentrisch, empathielos oder manipulativ und trägt oft narzisstische Züge. Das „Opfer“ denkt und handelt abhängig vom Verhalten des Gegenübers. Man nennt das „co-abhängig“. Das kann sich in einer Beziehung beispielsweise so anfühlen: Ich erlebe eine emotionale Achterbahnfahrt. Hochs (in den Himmel gelobt werden, „Love-Bombing“) und Tiefs (Abwertung, Erniedrigungen) wechseln sich ab. Die schönen Momente werden immer weniger. Für die guten Momente ertrage ich die schmerzhaften. Ich glaube, wenn ich nur ganz doll liebe, werde ich auch zurück geliebt. Ich glaube, ich kann mein Gegenüber retten, er oder sie braucht meine Hilfe, um Probleme zu überwinden. Ich glaube, dass ich das Problem bin, weil ich nicht gut genug bin. Ich denke, ich muss mich ändern. Aus Angst vor Konflikten und dem Verlassenwerden nehme ich mich immer mehr zurück. Ich mache mein Verhalten abhängig vom Verhalten meines Gegenübers und nehme mich selbst nicht so wichtig. Mein Gegenüber ist sehr schnell gekränkt. Ich werde kontrolliert, zum Beispiel, ob und mit wem ich mich treffe oder wofür ich Geld ausgebe. Ich werde ständig kritisiert und bin an allem schuld. Mein Gegenüber sieht sich immer als Opfer. Ich entschuldige mich für Dinge, die ich nicht getan habe. Ich bin gestresst, weil ich ständig Angst habe, etwas falsch zu machen. Ich fühle mich abhängig von meinem Gegenüber und denke, ich kann ohne sie oder ihn nicht leben. Meine Grenzen werden nicht respektiert und öfter überschritten. Ich glaube, dass er oder sie sich dieses Mal wirklich ändern wird. Ich werde manipuliert und die Realität wird verdreht, bis ich immer mehr an mir zweifle und schließlich selbst nicht mehr weiß, was wahr ist und was falsch ist („Gaslighting“). Es findet, neben der seelischen auch körperliche Gewalt statt. So schlimm ist das bei uns doch nicht … … denkst du jetzt vielleicht. Natürlich ist jede Beziehung anders. Aber wo fängt denn nun das Toxische an? Jesus hat uns die beste Orientierungshilfe mitgegeben. Er sagte in Markus 12,31: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Die Liebe zu sich selbst meint einen liebevollen Umgang mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Grenzen. Eigenliebe und Nächstenliebe müssen in Balance stehen, um gute Beziehungen führen zu können: Selbstliebe ohne Nächstenliebe macht das Gegenüber zu einem ersetzbaren Objekt, das nur der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse dient. Liebe ohne Selbstliebe führt in die emotionale Abhängigkeit und zum Verlust der eigenen Identität. Wenn du also dauerhaft (nicht punktuell!) egozentrisch oder selbstvergessen handelst, entsteht ein Ungleichgewicht. Hier fängt Toxizität an. Was kannst du selbst tun, um toxischem Verhalten entgegenzuwirken? Erkennen Vielleicht hast du in deiner Vergangenheit gelernt, dass Liebe an bestimmte Bedingungen geknüpft ist oder dass zur Liebe Schmerz dazu gehört. Du empfindest es deshalb als normal, dass mit dir so umgegangen wird. Das ist es aber nicht. Niemand hat das Recht, dich schlecht zu behandeln, dich herabzusetzen oder dir emotionale oder körperliche Gewalt zuzufügen! Wenn du dein Gegenüber niedermachst oder manipulierst, um dein eigenes Selbstbewusstsein zu pushen und dir sicher bist, dass er oder sie dich nicht verlassen wird, dann ist dein Verhalten lieblos und egoistisch. Ein liebevoller, wertschätzender Umgang ist in einer Paarbeziehung grundlegend, denn das ist der Ort, an dem wir uns besonders verletzlich machen. Achtsamkeit Um aus schädlichen Mustern herauszukommen, die dir bei der Liebe zu dir selbst im Wege stehen, spielt Achtsamkeit eine entscheidende Rolle. Das bedeutet, dir selbst auf die Spur zu kommen und immer wieder innezuhalten im Alltag: Was geht gerade in dir vor? Welche Gefühle sind da? Du kannst sie zum Beispiel in einem Gefühlstagebuch festhalten. Jeder von uns schleppt falsche Glaubenssätze mit sich herum, die unser Denken und Handeln bestimmen. Sie lassen uns zum Beispiel glauben, dass wir nur geliebt werden, wenn wir etwas leisten. Oder dass wir uns nicht so anstellen sollen, weil es anderen ja viel schlechter geht oder dass wir zu nichts taugen. Ein erster Schritt, diesen schlechten Einfluss zu entmachten, ist, dir seiner bewusst zu werden. Indem die Glaubenssätze vom Unbewussten ins Bewusstsein treten, kannst du dein Verhalten aktiv verändern. Du bist ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert und darfst stattdessen liebevolle Gedanken kultivieren und die Wahrheit über dich selbst entdecken. So kann zum Beispiel aus „Ich bin nicht schlau“ ein „Ich bin schlau genug“ werden. Selbstfürsorge Dann kannst du dich fragen, welche Dinge tun dir gut und lassen dich auftanken? Erlaube dir, hierfür Zeit zu nehmen. Du lernst so, deine Bedürfnisse zu spüren und deren Erfüllung in die eigene Hand zu nehmen. Du übernimmst Verantwortung für dich selbst. Dazu gehört auch, darauf zu achten, welche Dinge oder Personen dir nicht guttun. Was löst in dir Stress oder „Bauchweh“ aus? Mach dir auch bewusst, was deine wichtigsten Werte und was deine NO-GOs in einer Beziehung sind. Du darfst freundlich aber klar NEIN sagen! Und du wirst erleben, dass Menschen dich trotzdem oder gerade deshalb mögen. Kommunikation Ich-Botschaften helfen dabei, klarer zu kommunizieren und können ein Weg aus Konflikt-Spiralen sein. Dabei sprichst du über dein Gefühl („Es macht mich traurig, dass wir fast nie Zeit zu zweit verbringen.“) anstatt den anderen anzuklagen („Immer gehst du weg. Ich bin dir doch egal!“). Es ist auch hilfreich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn je tiefer die toxische Verstrickung, desto ratsamer, den Weg nicht alleine zu gehen. Eine gesunde Beziehung Dein neues, ungewohntes Verhalten stößt beim Gegenüber vielleicht nicht auf Gegenliebe, denn euer altes „Spiel“, euer Muster, funktioniert nicht wie bisher. Veränderungen erfordern Mut und auch Disziplin. Vor allem, wenn du bisher jeden Konflikt gescheut hast. Lass dich nicht entmutigen, sondern bleibe zugewandt aber auch liebevoll dir selbst gegenüber. Setze klare Grenzen. Du bist auf einem guten Weg, denn du gibst damit deinem Gegenüber und eurer Beziehung die Chance, zu wachsen und zu reifen. In jeder Beziehung gibt es Krisen und Konflikte. Auch toxische Elemente wie Abhängigkeiten, Grenzüberschreitungen oder manipulatives Verhalten können vorkommen. Entscheidend ist, wie ihr dabei grundsätzlich miteinander umgeht. Nähe und Distanz, nehmen und geben, bestimmen und sich anpassen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen. Liebe kann sich da entwickeln, wo Freiheit und Zuwendung gleichermaßen vorhanden sind. Unterschiedlichkeiten könnt ihr als wertvolle Ergänzung schätzen lernen. Dazu braucht es eine gute, offene Kommunikation, die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen und vor allem, den eigenen Anteil am Problem anzuerkennen. Dann müssen aus Worten Taten werden. Wann ist es besser, sich zu trennen? Deine eigenen Themen anzugehen hat bleibenden Wert, unabhängig von der Paarbeziehung. Du lernst, besser für dich zu sorgen und bessere Beziehungen zu führen. Wenn dein Verhalten eher dem des „Täters“ entspricht, lernst du, die Perspektive deines Gegenübers besser zu verstehen und liebevoller zu handeln. Mit Hilfe deiner Gos und No-Gos weißt du, was du bereit bist, für den Erhalt deiner Beziehung auf dich zu nehmen und was nicht mehr. Denn es kann sein, dass dein Gegenüber trotz deiner Bemühungen in toxischen Mustern kleben bleibt, keine eigenen Schritte zur Veränderung geht und deine No-Gos ignoriert. Wenn sich abzeichnet, dass diese Beziehung für dich deshalb ein Ort des Schmerzes bleibt und Wertschätzung und Annahme fehlen, ist es ratsam, eine Trennung in Erwägung zu ziehen. Das gilt natürlich umso mehr, wenn körperliche Gewalt im Spiel ist.

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