Ich bin der Albtraum der Werbeindustrie. Ich lasse mich nicht gerne vertrösten und bin super kritisch bei Werbeversprechen. Was sollen die Marketingleute in ihren Abteilungen denn auch anderes tun, als uns den Himmel auf Erden zu versprechen für den Fall, dass wir ihr neues Shampoo ausprobieren – das, bei dem mir garantiert die Haare nachwachsen. Diesmal aber wirklich. Oder das Waschpulver, das die Farben meiner Pullover nicht nur schützt, sondern neuerdings sogar auffrischt.
Die werden doch dafür bezahlt, aus der Angst des Menschen vor ausgebleichten Pullis oder ausfallenden Haaren Profit zu machen. Die wissen, dass wir an unseren Fortschritt glauben: Da muss es doch was geben, was wirklich gegen verblassende Farben wirkt. Ein Produkt, eine Therapie, zur Not ein Hausmittel.
Versprochen!
Erstaunlich oft hilft da nichts. Nicht gegen das Altern, nicht gegen die Vergänglichkeit des Lebens, nicht gegen die Sorgen um morgen. Je mehr wir erfinden, umso frustrierender wird die Erkenntnis, dass kein Produkt auf dieser Welt unsere Angst in den Griff kriegt. Irgendwo sind wir damit auf uns allein gestellt in diesem Leben, den Glücksversprechen derer ausgeliefert, die wenigstens noch versuchen, etwas dagegen zu unternehmen.
Was macht eigentlich Gott, während wir uns sorgen? Widmet sich vermutlich höheren Aufgaben und sorgt gerade irgendwo auf der Welt für Gerechtigkeit, dort, wo Menschen noch echte Probleme haben. Was interessieren ihn schon unsere materiellen Sorgen?
"Alles andere"
Naja, zumindest lässt er die nicht unerwähnt. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, dann wird euch alles andere zufallen.“ Dieser eine Satz von Jesus aus der Bergpredigt klingt wie ein Versprechen, auf das man ihn festlegen möchte, auch wenn es „alles andere“ – diese offenbar nicht sonderlich nennenswerten weltlichen Bedürfnisse – nicht zum Nulltarif gibt.
Trachten heißt, den Gedanken auf etwas zu richten, um Besitz davon zu erlangen. Dahinter steckt eine hartnäckige Haltung, die von mir entschiedenes Handeln einfordert. Das Reich Gottes ist kein Larifari-Weltzustand, der irgendwann irgendwie auf mich zukommt, sondern die herbeigesehnte Erfüllung von Gottes versprochener Welt. Mit halbherzigem Einsatz ist da nicht viel zu reißen.
Vollgaß
Aber vielleicht ist genau dieser Einsatz für Gottes Sache die Voraussetzung dafür, auch „alles andere“ in einem klareren Licht zu sehen. Jesus sagt, diese herbeigesehnte Welt ist zum Greifen nah. Ob wir sie denn nicht sehen?
Das ist nicht weniger als eine 180°-Wende, zu der Jesus uns ermutigt. Er sagt: Ich weiß, wie wichtig dir diese Dinge sind, wie sehr sie dich beschäftigen. Wie sehr du dich sorgst. Aber glaube mir: Die Perspektive, dieses Reich Gottes zu erleben, verändert alles, wenn du anfängst, es für möglich und sogar „nahe“ zu halten. Denn dann spüren wir die Auswirkungen bis in die kleinste Faser unserer Ängste und Sorgen, mitten in unserem Leben.
Ein Leben im Hier und Jetzt
„Lass die materiellen Sorgen hinter dir und setze mehr auf Gottes Wirklichkeit.“ Käme dieser Satz aus dem Mund eines Werbeexperten, würde ich sagen: Das ist echt leicht so dahingesagt. Dir geht es ja auch darum, mich für deinen Weg zum Glück zu begeistern. Nur spricht hier kein Werbeprofi, sondern ein hochengagierter Endzwanziger in der Blüte seines Lebens, der seinen Worten Taten folgen lässt.
Der spricht aus eigener Erfahrung. Der verzichtet auf den festen Wohnsitz, weil ihn das örtlich zu sehr binden würde. Weil so ein hübscher Steingarten in einem Nazarether Innenhof oder in Bonn Poppelsdorf auch erst einmal gepflegt werden will. Der verzichtet auf das sichere Abendbrot, weil er so näher an die Menschen herankommt, von denen er sich einladen lässt. Indem er sich für diese Form von Abhängigkeit entscheidet, findet er eine Freiheit, von der ich träume. Das zu tun, was gerade jetzt gut, richtig, gerecht und schön ist. Jesus beweist, dass es geht.
Planänderung
Sein Aufruf, mich ganz um Gottes Sache zu bemühen und nicht im Kleinklein meiner irdischen Sehnsüchte zu verheddern, ist auch die Idee von einem völlig anderen Leben im Hier und Jetzt. Jesus ermutigt mich dazu, mein Glück zu empfangen und Gott als Gönner zu erleben, statt mein Leben bis ins kleinste Detail zu planen und jede störende Planänderung in eine atmosphärische Störung meiner Gottesbeziehung münden zu lassen.
„Alles andere wird euch zufallen.“ Wie ein warmer Sommerregen oder eine überraschende Gehaltserhöhung oder eine gewollte Schwangerschaft. Lasst es passieren. Ich kann mein Glück nicht erzwingen, aber die Sorge darum, die kann ich loswerden. Gott hat versprochen, sich darum zu sorgen, wenn sein Reich meine Sorge ist.