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Jonny vom Dahl ist im Herzen ein Rebell.

Jonny vom Dahl: Im Herzen ein Rebell

Warum der Musiker so gern Kritik übt
Musiker und Influencer Jonny vom Dahl scheut sich nicht davor anzuecken und bekommt dafür viel Zuspruch, aber auch Kritik. Warum er selbst jahrelang mit dem Glauben gestruggelt hat, erzählt er im Interview.

Jonny, auf Social Media übst du regelmäßig Kritik an der christlichen Szene. Warum ist es dir wichtig, dort Stellung zu beziehen?

Jonny: Ich war selbst ziemlich lange raus aus der christlichen Szene, weil es mir zu eng war, was man zu denken und zu glauben hat. Zumindest wenn man in dieser Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren ist. Ich war zehn Jahre lang auf theologischer Heimatsuche und bin dann als Musiker zurückgekommen. Dann gleich auf der größten Bühne, die man im christlichen Kontext so findet, dem Christival.

Auf einmal war ich eine öffentliche Person und damit konfrontiert, dass ich für eine Szene stehe, mit der ich zum Teil, zumindest theologisch, wirklich gar nichts anfangen kann.

"Ich habe ein Herz für junge Erwachsene, die auf dem Weg verloren gehen."

Was hat dich gestört?

Dass Menschen krasse Verletzungen erleben und oft keine ernsthafte Aufarbeitung stattfindet. Ich habe mich dafür geschämt. Ich wollte, dass es auch eine Stimme für Menschen gibt, die so eine Biografie haben wie ich, die landeskirchlich aufgewachsen sind und super positive Erfahrungen mit der Kirche, mit Jugendarbeit und Jugendgruppen gemacht haben.

Es ist so ein schützenswertes, hohes Gut, das wir für junge Menschen in Kirchen haben. Aber das wird irgendwie überschattet von Themen wie Homosexualität – eigentlich von allem, was mit Sexualität zu tun hat. Entweder wird es umschifft oder es wird festgelegt, was richtig ist und dann wird nicht mehr drüber gesprochen. In meinen Augen ist das selten der richtige Weg.

Was motiviert dich?

Ich habe ein Herz für junge Erwachsene, die auf dem Weg verloren gehen. Wenn ich Geschichten höre von Menschen, die auf der Suche nach einer Gemeinde nur Christen treffen, mit denen sie nichts zu tun haben wollen, weil sie menschenverachtende Theologie an vielen Stellen, bewusst oder unbewusst vertreten, dann bricht mir das Herz. Du hast teilweise nur die Wahl zwischen einer Freikirche, wo es theologisch oft problematisch ist oder einer Landeskirche, wo wenig passiert.

"Und ich will niemandem vorschreiben, wie sie oder er die Bibel zu verstehen hat."

Du wirst dafür kritisiert, die Bibel in Frage zu stellen. Welchen Wert hat sie für dich?

Für mich ist die Bibel das Fundament von allem. Es geht immer um die Frage, ob du die Bibel wortwörtlich oder mehr in ihrem geschichtlichen, kulturellen Kontext liest. Für mich ist das kein Angriff auf den christlichen Glauben. Darüber zu diskutieren, wie es gemeint sein könnte, ist für mich ein Wahrheitsfindungsprozess. Und ich will niemandem vorschreiben, wie sie oder er die Bibel zu verstehen hat. Wir haben alle unterschiedliche Prägungen und dafür habe ich auch Verständnis.

Worum geht es dir bei aller Kritik?

Ich würde mir wünschen, dass Menschen aufgrund ihrer Sexualität nicht ausgegrenzt und von Aufgaben innerhalb des Gemeindelebens ausgeschlossen werden. Wenn man als Christ in eine gewisse Richtung geprägt ist, dann ist es schwer, davon abzukommen und neu zu denken, das verstehe ich und dafür habe ich auch viel Verständnis. Das sind alles meine Geschwister und ich habe sie lieb. Und deswegen setze ich mich dafür ein, weil ich möchte, dass Christen so gesehen werden, wie sie gesehen werden sollten.

Wie sollten Christen deiner Meinung nach wahrgenommen werden?

Ich finde, die Botschaft der Nächstenliebe ist die Schönste, die wir überhaupt haben. Oder, dass du nichts leisten musst, um dazuzugehören. Das finden wir in keinem Aspekt unserer Gesellschaft so wieder. Es gibt immer versteckte oder nicht versteckte Erwartungshaltungen, um Teil einer Gemeinschaft zu sein. Das sollte bei Christen eigentlich nicht so sein. Zumindest glaube ich nicht, dass es dem Kern des christlichen Glaubens, der Botschaft der Nächstenliebe oder Jesus entspricht.

Hast du denn das Gefühl, dass sich etwas verändert?

Ja, ganz viel. Und ich glaube, dass das auch der Grund ist, warum es gerade so viele Konflikte in der christlichen Szene gibt. Der Kern von Konservatismus ist ja: Das Bewahren, was ist. An sich ein schöner Gedanke, aber – bewahrt, was gut ist und schmeißt das raus, was nicht gut ist. Darüber gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen. Ich glaube aber, dieser Prozess findet gerade statt, weil die progressive Seite anfängt, sich zu wehren, indem sie sagt, was sie wirklich denkt und für richtig hält. Da bin ich ganz vorne mit dabei.

"Ich gehe an die Decke, wenn einem Menschen abgesprochen wird, Christ zu sein."

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Gespräche auf Augenhöhe. Wenn man Respekt füreinander hat, glaube ich, würde/n Kritik und Konflikte auch deutlich milder ausfallen. Ich gehe an die Decke, wenn einem Menschen abgesprochen wird, Christ zu sein. Ich habe mich selbst jahrelang intensiv mit biblischen Texten auseinandergesetzt. Dann gesagt zu bekommen, du bist kein echter Christ und du liest die Bibel nicht, ist ein sehr tiefer Schmerz.

Also sind wir sehr weit weg von Einheit?

Ich habe Freunde, die ich dafür bewundere, wie divers sie im theologischen Sinne unterwegs sein können, ohne sich anzustoßen. Das ist eine Gabe, die mir nicht geschenkt wurde. Ich kann das sehr schwer aushalten, wenn ich weiß, dass auf Social Media eine Person gegen mich gewettert hat. Und dann trifft man sich auf irgendwelchen Events und macht auf Friede, Freude, Eierkuchen. Das ist nicht mein Ding.

Ich kann besser damit umgehen, wenn mich jemand für ein Arschloch hält und mir das auch zeigt (lacht). Ich glaube, Jesus würde da auch offen in den Konflikt gehen und den ehrlich austragen. Streit ist nicht schlimm, solange er fair und im gegenseitigen Respekt stattfindet.

Jonny vom Dahl findest du hier:

Instagram: jonnyvomdahl

TikTok: jonnyvomdahl_tiktok

Podcast: »Hooklines«

Sofia Löwen

ist Volontärin bei Teensmag.

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