„Hey Felix, hast du Lust mal mit dabei zu sein?“ – diese kleine Frage hat mein Leben stark verändert. Das klingt vielleicht drastisch und ich habe länger darüber nachgedacht es so zu formulieren und mich dann bewusst dafür entschieden, weil es stimmt.
Ich saß im Wohnzimmer der Pastorenfamilie, die unsere kleine Hausgemeinde leitete. Es war somit Wohnzimmer und gleichzeitig „Gemeindesaal“, auch wenn Saal eine komplett übertriebene Dimension ist. Es war ein auf zwölf Meter lang gezogener Raum. An einem Ende ein Esstisch an zwei großen Fenstern, durch die man auf die Straße schauen konnte und immer sah, wer am Sonntagabend zu spät zum Gottesdienst kommen würde.
Am anderen Ende des Zimmers war eine Sitzecke aus alten grauen Sofas mit rosa und lila Streifenmuster und gewobenem Holztisch mit einer weiß gehäkelten Tischdecke. Etwas oldstyle aber auch gemütlich. Nach dem Gottesdienst waren wir Jugendlichen entweder in der Küche zum Futtern, in den Kinderzimmern oder genau in dieser Sofaecke.
Verhängnisvolle Anfrage
An diesem einen Abend saß ich auf dem grauen Zweiersofa und mir gegenüber saß Gabi. Ich glaube eigentlich heißt sie Gabriele, aber so nannte sie keiner. Gabi war der Hammer. Obwohl sie im Alter unserer Eltern war, war sie cool, machte klare Ansagen und war für die kreativen Ideen bei Kinderprogrammen zuständig. Gabi hatte vor dem Gottesdienst eine Anmerkung gemacht, dass sie nachher nochmal mit mir sprechen wolle. Das Gespräch war jetzt und der Inhalt überraschend.
Wie jedes Jahr wirkte unsere Hausgemeinde an der Herbstkonferenz einer größeren Gemeindebewegung mit. Normalerweise war ich Teilnehmer im Jugendprogramm. Für mich als pubertierenden Teenie ein bisschen zu viel Kleingruppe und komische Geländespiele, aber an sich ganz okay. Parallel dazu gab es auch ein Programm für Kids. Und genau dafür fragte mich Gabi gerade als Mitarbeiter an.
Mein erster Gedanke war: ja cool, dann muss ich nicht ins Jugendprogramm. Mein zweiter Gedanke: ja ne, ich hab so was noch nie gemacht und weiß nicht mal ansatzweise wie das funktioniert. Normalerweise hätte in meinem verunsicherten kleindenkenden Jugendherz der zweite Gedanke gewonnen. Und trotzdem schaffte es Gabi, mir diese Angst zu nehmen. Es war wohl ihre ruhige Ausstrahlung und die Sicherheit, dass ich es gut machen würde. Woher sie das wusste? Keine Ahnung.
Mutmacher to be
Ich bin dann tatsächlich als Mitarbeiter mit zur Herbstkonferenz gefahren. Während der Zeit habe ich mich immer mal wieder wie etwas Besonderes gefühlt und oft auch wie jemand, der keine Ahnung hat, was er tut. In einem Augenblick konnte ich den Kids Bücher vorlesen und ihnen eine gute Zeit bereiten und sie im nächsten auslachen, weil sie im UNO gegen mich verloren hatten. Naja, ich hatte viel zu lernen.
Und trotzdem nahm mich Gabi die nächsten Jahre immer wieder mit auf die Tagung und auch andere Jugendfreizeiten. Warum, war mir schleierhaft. Wahrscheinlich sah sie etwas in mir, das ich selbst nicht sah. Spulen wir 22 Jahre vor. Ich bin selbstständig als Redner und Mutmacher und darf zusammen mit einem wunderbaren Team einen Jugendverband leiten, der lokale Arbeit mit Kids, Jugendlichen und jungen Erwachsenen supportet und aufbaut.
Ich wäre nie an dem Platz, wo ich jetzt bin, hätte es in meinem Leben nicht immer wieder so Personen wie Gabi gegeben, die etwas in mir gesehen haben, dass ich selbst nicht sehen konnte. Durch sie erlebte ich wie wichtig, wunderschön und freudeschenkend die Arbeit mit Kids sein kann. Es waren Personen wie meine Grundschullehrerin, Mentoren, eine Jugendpastorin, Gabi und andere.
Hast du ´ne Gabi?
Sie haben mich ermutigt, mir in Liebe in den Hintern getreten, mich ins kalte Wasser geworfen und gemeinsam mit mir reflektiert. Nur dadurch durfte ich entdecken, dass so viel mehr in mir steckt, als ich jemals gedacht hätte. Sie haben mich geprägt Schritte zu gehen, die ich alleine nicht getan hätte und haben mir Momente geschenkt, in denen ich mich ausprobieren und Gaben entdecken konnte.
Auch heute habe ich immer noch diese Personen in meinem Leben und bin richtig dankbar für sie. Wer war oder ist aktuell deine „Gabi“? Hast du dir schon einmal Zeit genommen, um dich bei deinen Mutmachern zu bedanken, sie zu ehren, für alle Momente, von denen du weißt und für alle Gebete, die sie gesprochen haben, von denen du nicht weißt?
Für wen kannst du heute eine „Gabi“ sein? Ein Mutmacher im alltäglichen Leben oder speziellen Herausforderungen. Ich werde immer wieder mal gefragt, was die junge Generation braucht. Ich spreche dann viel von Freiheit und Räumen zum Experimentieren und ich rede von Gabi. Menschen, die mehr in dir sehen, als du es gerade tun kannst. Das braucht die junge Generation.