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Tristan Horx

Optimistisch in die Zukunft

Im Gespräch mit einem Zukunftsforscher
Trotz der schwierigen Weltenlage blickt Tristan Horx, Trend- und Zukunftsforscher positiv auf das Bevorstehende.

Aktuell sieht man die Klamotten der 90er Jahre wieder auf den Straßen. Haben Sie als Zukunftsforscher diesen Trend vorhergesehen?

In bin zwar kein Modeexperte, aber mit den 90ern ist es ein ewiger Kreislauf. Ich glaube, es ist jetzt schon das fünfte Mal, dass die wieder „in“ sind. Grundsätzlich ist es aber ganz normal, dass Modeerscheinungen immer wiederkommen. So gesehen, habe ich das vorausgesagt.

Haben die Älteren dann recht, wenn sie sagen, dass es keine neuen Trends mehr gibt und stattdessen das Alte nur revivalt wird? So nach dem Motto, Omas Haferschleim heißt jetzt einfach Overnight Oats?

Es ist eine Illusion zu glauben, dass in der Zukunft immer alles neu und anders sein muss. Viele Sachen existieren noch, weil sie einen Wert hatten. Meistens werden sie in Richtung Zukunft leicht abgewandelt. Ich garantiere, dass das, was die Großeltern als Haferschleim kennen, anders schmeckt als das, was man heutzutage als Porridge verkauft bekommt. Zukunft entsteht immer aus der Rekombination von Altem und Neuem. Ganz oft wollen wir aber nicht wahrhaben, dass das Alte auch etwas damit zu tun hat. Das ist eine falsche Erwartungshaltung der Zukunft gegenüber.

Dann betrachten Sie als Zukunftsforscher also auch die Vergangenheit?

Ja, maßgeblich sogar. Anders als bei Trends, die ich analysiere und die man als Gegenwartsphänomene problemlos belegen kann, wird die Zukunft anhand von Mustern bestimmt. Dabei hilft die Vergangenheit enorm, denn irgendwo her muss ich die Muster ja bekommen. Als Zukunftsforscher muss man sich mit der Vergangenheit ein bisschen auskennen, mit der Gegenwart sowieso und mit der Zukunft eigentlich am wenigsten. Das ist das Spannende.

Je nachdem mit wem man spricht, könnte man aktuell das Gefühl bekommen der Weltuntergang ist nah. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft?

Medial steht der Weltuntergang schon seit ich klein bin vor der Tür. Damals war die Angst, dass das Erdöl knapp wird, dann wurde gesagt, dass der nächste Weltkrieg ausbricht. Dann gab es die Sorge, dass wir alle vereinsamen, weil es so viele Single-Haushalte gab. Wir haben irgendwie schon alles durchgemacht. Wenn man jung ist, wirkt es wahrscheinlich echt so, als würde jeden Tag die Welt untergehen. Vor dem Krieg in der Ukraine ist die Welt wegen einer Pandemie untergegangen.

Da sind wir dann wieder beim Thema Vergangenheit – vielleicht muss man sich aber vergegenwärtigen, dass 99 Prozent der Menschheitsgeschichte richtig beschissen waren. Gerade wir im Westen leben nach wie vor zum besten Zeitpunkt jemals. Und auch wenn sich das jetzt wie eine Trendwende anfühlt, in der Realität ist das nicht so. Wir sind alle zurecht sehr betroffen von diesem Krieg, aber man darf nicht vergessen, dass es an anderen Orten auf diesem Planeten seit eh und je so ist. Vielleicht bekommen wir gerade einfach eine Realitätsklatsche. Wir im Westen haben die Tendenz die Gegenwart aufzublähen, weil uns die Zukunft als gemeinsame Vision fehlt.

Welche Entwicklungen könnte die aktuelle Weltlage denn in Zukunft lostreten?

Reregionalisierung als Gegentrend zur Globalisierung wird ein Thema werden. Damit meine ich keine Nationalismen, dafür sind die jüngeren Generationen zu informiert aufgewachsene. Auf die Nation greift man nämlich nur dann zurück, wenn einem alle anderen Identitätsmöglichkeiten ausgehen, quasi als kleinsten gemeinsamen Nenner. Deshalb glaube ich nicht, dass der Nationalismus wiederkommt, aber gerade mit Blick auf die Wirtschaft, wird das Regionale an Bedeutung zurückgewinnen. Dann haben wir das ganze Thema Nachhaltigkeit. Aktuell merken wir, dass wir hier wenig Erdöl und Gas haben. Wir haben aber Sonne und Wind. Dieser Trend hat gerade einen deutlichen Boost bekommen. Und ein weiterer Punkt, der aktuell ein bisschen in den Hintergrund geraten ist, ist die neue Arbeitswelt. Man darf nicht vergessen, was sich da Unglaubliches getan hat. Aktuell wirkt die Frage nach Homeoffice ein bisschen kleinteilig, wenn ein Krieg ums Erdöl brennt. Aber das ist etwas, das uns im direkten Leben alle betrifft.

Sie schreiben in ihrem Buch, dass Fridays for Future gewonnen hat. Was ist damit gemeint?

Es gibt kein ernstzunehmendes Unternehmen mehr, dass sich nicht mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ beschäftigt. Vor einigen Jahren gab es noch genug Firmen, die dachten, sie können sich wegduckten unter dem nervigen Trend. Mittlerweile setzten sich sogar Unternehmen wie Shell ernsthaft damit auseinander. Vor nicht allzu langer Zeit drehte sich der Diskurs darum, ob das mit dem Klimawandel überhaupt stimmt. Das zweifelt heute keiner mehr an und die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie wir es anpacken. Deshalb haben die Ökos gewonnen - und mit Ökos meine ich die Wissenschaft. Es ist ein guter Anfang, dass wir da größtenteils eine gemeinsame Realität haben.

Mit der Klimabewegung ist auch ein großer Generationenkonflikt sichtbar geworden. Ist der mittlerweile gelöst?

Die Boomer waren die Bösen, was aber vergessen wurde ist, dass sie was Frauenrechte, Rechte für Homosexuelle und auch Ökologie angeht eigentlich sehr viel bewegt haben – auch wenn sie jetzt im Nachhinein ein bisschen spießig wirken. Aber die junge Generation wird auch irgendwann spießig erscheinen. So ist gesellschaftlicher Fortschritt und das ist völlig in Ordnung. Wenn man die Vergangenheit und die Lebensrealität der unterschiedlichen Generationen versteht, kann das auch zur Vereinigung führen. Gerade merken wir doch, wie all diese Konflikte belanglos werden. Vielleicht lässt uns das zusammenrücken.

Was bedeutet das für das Thema „Individualismus“ – bleibt der Trend so dominant, oder bewegen wir uns durch die vielen Krisen wieder näher aufeinander zu? 

Es ist ja kein Entweder-oder. Entweder wir sind alle rechte Nazis oder wir sind alle woke Individualisten, die ihre Shakes trinken und glutenintolerant sind. Die produktivsten Gesellschaften sind die, die verstehen, dass die Formel lautet: Gemeinsam verscheiden sein. Es geht um gewisse Grundwerte, auf die man sich einigen muss. Und dann darf man so individuell sein, wie man will. Wenn man eine völlig gleiche Gesellschaft hat, dann braucht man nur einen politischen Virus, um alle umzuhauen. Das passiert in einer heterogenen Gesellschaft nicht. Dafür gibt es halt mehr Streit und mehr Konflikte. Und wenn man mit diesem Spannungsfeld nicht umgehen kann, lässt man sich schnell von dem Denken locken: „Es wäre doch einfacher, alle wären wie ich“. Aber das ist nicht zukunftsfähig, weil es sehr unproduktiv ist.

Julia Spliethoff

ist Redakteurin bei DRAN.

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