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Christopher und Michal Schacht über Trauer in der Ehe

Gemeinsam trauern - wie geht das?

Christopher und Michal Schacht über die Kraft von Verlust in der Ehe
Christopher und Michal Schacht hatten jeweils eine andere Beziehung zu ihrem gemeinsamen Freund Philipp Mickenbecker und jeder seine eigene Art nach dessen Tod zu trauern. Doch als Ehepaar sind sie auch eine Einheit. wir haben sie unabhängig voneinander gefragt, welche wege sie gefunden haben.

Wie habt ihr jeweils einzeln und als Paar den Verlust von Philipp wahrgenommen?

Michal: Wir hatten das Privileg einen gemeinsamen Freundeskreis zu haben. Das heißt, wir haben mehr oder weniger die gleiche Erfahrung gemacht und mussten dem anderen beim Trauern nicht alles erklären. Gerade weil wir uns zum Ende hin um Vieles gekümmert haben, war es toll, dass wir jeweils nachvollziehen konnten, wie viel Platz das in unserem Leben eingenommen hat. Dafür bin ich sehr dankbar.
Christoper: Man muss dazusagen: Was wir dabei gefühlt haben, war nicht nur Trauer, sondern im Gegenteil, auch sehr viel Dankbarkeit, so ein Erfüllt-sein von Schönheit, auch sehr viel Frieden und Freude. Es hat kein Gefühl dominiert. In einem Moment kamen einem die Tränen und im anderen war man wieder glücklich und hat gelacht. Im wieder nächsten Moment hat man gebetet und Danke gesagt, für so viel Schönheit, die man erleben durfte. Es war überhaupt nicht einseitig.

Seid ihr ähnliche Trauer-Typen?

Michal: Ich schreibe viel Tagebuch und habe auch Zeit allein gebraucht, also eher ein emotionaler Typ. Ich würde nicht sagen, Christopher stürzt sich in Arbeit, aber er hat einfach immer so viel Arbeit um sich herum. Ich kann ihm das häufig auch gar nicht so gut ansehen, wann er trauert und wann nicht. Das heißt aber nicht, dass er kein Herz hat. Er ist einfach so ein zuverlässiger Typ, der versucht das Beste aus der Situation zu machen.
Christoper: Jeder hat eine unterschiedliche Art und Weise zu trauern. Michal zieht sich in der Regel erstmal zurück, macht sich traurige Musik an, weint und gibt sich dem Gefühl dann so ein bisschen hin. Danach hat sie das Gefühl, dass sie wirklich trauern konnte. Wenn sie damit fertig ist, nehme ich sie in den Arm und wir tauschen uns aus. Ich persönlich mache mir keine Musik an oder so, aber bin im ersten Moment auch gern allein, um meine konkurrierenden Gefühle mit Gott zusammen zu reflektieren.

Zur Beerdigung von Philipp kamen um die 500 Menschen. Wie ging es euch mit den Vorbereitungen für so eine große Veranstaltung direkt nach dem Verlust?

Christopher: Ich hatte erstmal sehr wenig Zeit, seinen Tod zu verarbeiten. Philipp ist an einem Mittwoch gestorben. An dem Sonntag danach hatte ich einen Predigtdienst, zu dem der ganze Freundeskreis und alle Eltern kommen wollten. In der folgenden Woche war die eigentliche Beerdigung. Das heißt, wir hatten ungefähr eine Woche für die Vorbereitungen und das unter den Corona-Auflagen. Ich hatte am Vortag noch mit der Technik zu tun und vieles lief parallel als Michal mich anrief, um zum Rhein zu kommen. Alle unsere Freunde waren da für den Dreh des Real Life Musikvideos. Sie hatten Essen dabei, waren baden, haben gesungen, gelacht und gemeinsam verarbeitet. Sie wollte wissen, ob ich nicht dazukomme, aber ich wusste: Wenn ich jetzt gehe, haben wir morgen keinen Ton.
Michal: Christopher hat sich wirklich krass reingehängt für die Beerdigung. Ich zwar auch, aber ich hatte dann immer wieder Punkte, an denen ich gesagt hab: Ich zieh mich jetzt zurück oder mache nur was mit Freunden. Ich bin ihm sehr dankbar, auch wenn ich manchmal versucht habe, ihn zu Aktionen wie dem Baden dazuzuholen.

Was ist das Gute daran, gemeinsam zu trauern – was das Herausfordernde?

Christopher: Mit deinem Partner hast du immer jemanden zum Reden, in den Arm nehmen und gemeinsam beten, weinen, lachen oder einfach sein. Es ist schon ein großer Vorteil, wenn man sich nicht einsam fühlt, sondern neben Gottes Nähe auch ganz stark, die von Personen, die man liebt, um einen weiß. Das Herausfordernde daran, wenn beide Personen trauern, ist, dass es häufig eine Extremsituation ist. Ich glaube, wenn man seelisch gerade viel trägt, kann sowohl die Art zu trauern als auch das, was man in dem Moment für sinnvoll hält, stark auseinandergehen.

Wie ist das, wenn einer gerade trauert und der andere nicht?

Christopher: Wenn einer Zeit braucht, um etwas zu verarbeiten, nehmen wir die uns auch füreinander. Das ist nicht immer einfach. Bei mir kommen häufig abends Gefühle hoch, über die ich gerne mit Michal reden oder beten würde. Sie geht gern früher schlafen als ich und ist abends nicht mehr so aufnahmefähig oder schläft schon, wenn die Sache für mich noch nicht abgeschlossen ist. Sie bemüht sich aber gegen die Müdigkeit anzukämpfen und für mich da zu sein. Das mache ich andersherum auch so.
Es ist normal in einer Ehe unterschiedliche Zeitpunkte und Bedürfnisse zu haben. Wenn es deshalb zu Konflikten kommt, ist das überhaupt nicht weiter wild. Wenn man füreinander und vergebungsvoll ist, kann das die Beziehung stärken. In unserem Fall war es nicht nur leicht, aber auch schön und es gäbe keine Person, mit der ich lieber durch diese Zeit gegangen wäre als mit ihr.

Wie hat die gemeinsame Verlusterfahrung eure Beziehung geprägt?

Michal: Ich habe meinen Mann das erste Mal wegen Trauer weinen sehen. Diese Seite kannte ich von ihm gar nicht. Ich war zuerst ganz verwirrt und konnte es nicht einordnen. Sonst weint er eher aus Freude oder Rührung. Aber es war auch schön diese Seite von ihm kennenzulernen.
Christopher: Michal war schwanger als Philipp gestorben ist. Das lag stark daran, dass er sie ermutigt hatte, diesen Schritt zu wagen. Ich war eigentlich schon länger ready für Kinder, aber Michal hielten die typischen Ängste zurück: Ist mein Leben dann vorbei? Können wir dann noch unsere Freundschaften leben? Wie machen wir das finanziell? Philipp hatte uns zugesprochen, dass Gott schon für uns sorgen wird. Er hat das auf eine so einfühlsame und gewinnende Art rübergebracht, dass Michal sich dann auch bereit gefühlt hat, das Thema anzugehen.
Am 29. Oktober, also ein paar Monate nachdem Philipp verstorben war, ist unsere Tochter Selah zur Welt gekommen und zwei Jahre später, am Todestag von Philipp, unser Sohn Eli Zion Philipp. Philipps Eltern Peter und Sabine sind auch die Paten unserer Kinder geworden.

Welche Rolle spielt Jesus in eurer Ehe, wenn es um Verlust, Trauer oder Ängste geht?

Christopher: Eine sehr große. Jesus als Fundament wird nicht wegbrechen. Im Gegensatz zu Aussehen oder materiellen Dingen. Natürlich kann man sich vom Glauben abwenden, aber solange wir an ihm festhalten und seine Zusage für uns da ist, können wir uns gewiss sein, dass wir ein Band haben, das hält und das jede Last tragen kann. Wenn wir unser Leben gemeinsam nach ihm ausrichten, bringt er uns auch in Schwierigkeiten immer wieder zusammen und sagt: Rede mit deinem Partner, liebe, ehre ihn oder sie, stelle deinen Partner über alles andere, denn du hast eine Verantwortung. Das ist eine ständige Aufgabe, an der man wächst und die einen zusammenschweißt.

Welche Tipps habt ihr für Paare, die gemeinsam oder parallel Verlust erleben?

Michal: Dass jeder seine Art haben darf zu trauern. Wenn das bedeutet, dass man wie ich mit Freunden baden geht, ist das okay. Man darf Lachen, Tanzen und wieder Freude empfinden. Genauso darf man aber auch weitermachen, statt sich Zeit allein zu nehmen und zu weinen. Wenn man reden möchte, sollte man das tun und wenn nicht, ist das auch völlig in Ordnung. Ich habe bestimmt mehr mit meinem Tagebuch ausgemacht als mit Christopher. Das klingt so als hätten wir eine komische Ehe oder würden nicht kommunizieren, aber so ist das nicht. Wir haben keine Geheimnisse voreinander, aber diese Intimität mit meiner Traurigkeit, die mag ich einfach lieber mit meinem Tagebuch, vor Gott und allein. Dass wir uns da keine Vorwürfe machen und trotzdem durch regelmäßiges Fragen, wie es uns geht oder tröstende Umarmungen einen Safe-Space kreieren, in dem man gemeinsam trauern kann, finde ich sehr wichtig.

Christopher Schacht ist auch Inititaor des Projektes Life Lion. Auf YouTube teilt das Team bewegende Lebensgeschichten und wie Gott sie gelenkt hat. Schau doch mal vorbei: Life Lion - YouTube

Sara Buczkowski

lebt in Hamburg und arbeitet in einer Werbeagentur.

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